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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Cruz konnte sich lebhaft vorstellen, wie Emilio hereinstürmen würde. Und ihn mit einer warmen Titte in der einen und einem Chivas Regal in der anderen Hand finden würde, während er sich das Gratis-Koks einverleibte und Star Wars sah. Und tat, als sei nichts gewesen. Ja. Emilio würde ihm zuerst einmal die Knochen in alphabetischer Reihenfolge brechen lassen. Die Party würde weitergehen. Und Cruz würde dann aus dem Fenster fliegen und Chiquita Gesellschaft leisten, so wie sich Erdnussbutter mit Marmelade vermischt, wenn man beide Sandwichhälften zusammenklappt.
    »Du solltest deinen Arsch in Bewegung setzen, aber pronto.« Rosie versuchte gar nicht, auf komisch zu machen. »Wisch dir die Visage ab, besorg dir unten ein Taxi. Und dann mach, dass du zum Miami International kommst. Danach rufst du mich an.« Er zauberte eine seiner Karten aus dem Ärmel. Cruz wusste, was da draufstand: Ross M. Westervelt – Industrieanlage-Berater. Er kritzelte eine Nummer auf die Rückseite. Cruz fühlte sich absurderweise geehrt. Wenigstens war er einer der wenigen, die in den Genuss von einer von Rosies streng geheimen Notfallnummern kamen.
    Rosie warf einen Blick auf seine Rolex Presidential. »Ruf mich exakt um fünf Uhr an. Du wirst dann ein Flugzeug nehmen.«
    Die Zeit schien jetzt schneller abzulaufen. Viel zu schnell für Cruz. »Rosie, Mann … du musst mir zuhören. Sie war schon auf dem Geländer, bevor ich nach ihr greifen konnte … und … ich wollte doch nicht, dass sie springt. Wirklich nicht. Aber sie hatte so gottverdammt viele von diesen Pillen geschluckt, die Telstar hier angeschleppt hatte …«
    »Cruz.«
    »… das Zeug war nicht sauber, Rosie … und sie hatte sich schon verdammt viel mehr reingepfiffen, als sie verkraften konnte, wenn du weißt, was ich meine, und …«
    »Cruz.«
    »Ich hab das doch nicht gewollt, Rosie!«
    Rosie gab ihm wieder eine Ohrfeige, diesmal nicht mehr so hart. Cruz steckte sie weg und verstand.
    »Cruz, wir haben jetzt keine Zeit für diesen Scheiß. Und ich habe keine Zeit, mir dein Gefasel anzuhören. Ich mag dich. Du bist ein Spitzendealer, und ich möchte nicht sehen, dass du als Hackfleich einige Stockwerke tiefer landest. Ich habe da einen Kumpel in Chi. Da kannst du für einen Weile unterkriechen.«
    Außer Rosie kannte Cruz nicht einen Menschen, der Chicago Chi nennen konnte, ohne wie ein Idiot zu klingen. Wenn es von Rosie kam, dann hörte sich das ganz normal an. Cruz hielt Rosie für altmodisch, aber für ihn war er trotzdem jemand, zu dem man aufsehen konnte, an dem man sich ein Vorbild nehmen konnte. Rosie hatte einen Lieblingsspruch: »Wenn die Kacke am Dampfen ist, achte darauf, dass du nicht in Windrichtung stehst.« Cruz ertappte sich eines Tages dabei, dass er den Spruch auch benutzte, und bei ihm klang er auch ganz gut.
    »Ich werde dafür sorgen, dass sich Emilio wieder beruhigt. In ein paar Monaten werde ich dich ohne Stress wieder zurückholen können. Emilio regt sich schon wieder ab, wenn er was Neues vor die Flinte kriegt. Aber jetzt musst du erst mal verschwinden, bevor die Kacke so richtig am Dampfen ist.«
    Cruz gab ihm ein trauriges Grinsen zurück: »Ich will nicht in der Windrichtung stehen.«
    »Geh auf keinen Fall noch mal in deine Wohnung. Hör mir zu, Mann!«
    »Aber Rosie, was ist mit all meinen Sachen und …«
    Rosie ließ keinen Einwand gelten. »Nein und nochmals nein. Halt nicht mal an einem Kiosk an, um dir eine Flasche Wasser zu holen. Ruf bloß niemanden an. Fahr direkt zum Flughafen und tue nichts. Bis fünf Uhr hältst du dich vollkommen bedeckt. Und dann rufst du mich an. Bis dahin habe ich das mit den Tickets erledigt. Und ansonsten bist du heute Nachmittag überhaupt nicht hier gewesen, egal, was die Trottel da draußen sagen. Die sind völlig zu, und ich bin es nicht. Du bist nie hier gewesen. Ich brauche eine halbe Stunde, um mir eine plausible Erklärung zu überlegen, warum du nicht hier warst, aber darüber mach dir keine Gedanken.« Er sah wieder auf seine Uhr. »Unsere ersten fünf Minuten sind um. Verschwinde hier, Kleiner. Augenblicklich.«
    Cruz’ Hand tastete nach seiner Hosentasche, wo sich das Banknotenbündel wölbte.
    »Und keine Einwände mehr«, sagte Rosie. »Raus.«
    Keine Tränen, keine Rührseligkeit. Cruz schloss die Tür leise hinter sich. Er war schließlich auch ein Profi.
     
    Als es Mitternacht schlug, fror sich Cruz auf dem O’Hare-Flughafen die Eier ab. Er war bereits der Meinung, dass hier in der

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