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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Backsteinhäuser begannen auszudünnen und gingen in baumgesäumte Siedlungen mit idyllischen Kreuzungen über, an denen viele der Straßenlaternen fehlten. Es gab Stellen, da existierten nur Bäume, Schatten und der Schnee. Jonathan hatte Visionen von den leuchtenden Nachtaugen von Waldgeschöpfen, malachitgrüne Punkte, die die Straße beobachteten und versuchten, sich einen Reim darauf zu machen, zu was für einer Spezies Autos gehörten.
    »In diese Gegend haben sie’s mit den Eichen«, Bash war immer noch in seiner Fremdenführerlaune. »Oakland, Oakdale, Oak Run, Oak Park, Oakwood. Die stolze Eiche, die den Nachfahren von Gangstern und Schwarzbrennern so etwas wie einen Hauch von vermeintlicher Klasse verleiht. Du findest hier mehr Frank-Lloyd-Wright-Konstruktionen als in jedem anderen Teil des Landes. Eigentlich sind die Häuser verdammt gut gebaut, da steht nicht viel Schrott zwischen. Da fällt nichts in sich zusammen oder rottet einfach vor sich hin wie in New Orleans. Wenn ich in meinem ganzen Leben kein spanisches Moos mehr sehen muss, wird es mir bestimmt nicht schlechter gehen, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Spritz! Jonathan war wieder halb eingenickt und wurde unsanft in die Realität zurückgeholt, als der Wagen in einer wirklich beeindruckenden Eispfütze einbrach.
    »’tschuldigung«, sagte er. »Ich kann die Augen nicht mehr offen halten. Ich habe in der letzten Zeit zu viele Mittelstreifen gesehen.«
    »Mhmmm. Straßenfieber. Klassischer Fall. Was du brauchst ist ein Powerturbo aus Onkel Bashs Wahnsinns-Espressomaschine.«
    »Oder ein Quietly-Bier.«
    Er bedauerte, dass er Bashs Anekdote über Quietly nicht mitbekommen hatte, weil er da in Selbstmitleid versunken war. Wenn er eine Zeit lang wartete, dann konnte er ihm die Story vielleicht noch einmal entlocken; Bash liebte es, sich selbst reden zu hören, vor allem wenn es um eine seiner Privattheorien darüber ging, warum die Welt so aus den Fugen geraten war.
    »Was zur Hölle ist ein Powerturbo?«
    »Der Weihnachtsmann – in der üppigen Gestalt von Camela – hat diesem armen weißen Findelkind – mir – eine Krups Espresso Novo gebracht. Das Beste vom Besten, das Neueste vom Neuen, Thermoblockheizung und ein Überdruckdampfsystem. Als ich das Ding bekommen habe, hat es eine Woche gedauert, bis ich verstanden habe, wie man die Milch für den Cappuccino aufschäumt. Es sah aus, als hätte ein Typ mit ’nem unglaublichen Elefantenschwanz einmal quer durch meine Küche abgespritzt. Alles weiß eingeschmiert. Jetzt bin ich ganz gut in Übung, wenn es um den ollen Schaumschläger geht. Aber vorher musste ich all meine Experimente austrinken. Espressopulver ist zu teuer, um es zu verschwenden. Das hält dich auf Trab, während du lernst. Ich habe während der ganzen Woche zähneknirschend im Bett gelegen und zu schlafen versucht. Aber nachdem ich dann endlich raushatte, wie man Espresso macht, habe ich das Zeug mit einem Hot Shot gekreuzt. Du nimmst vier Löffel auf zweieinhalb Tassen. Das ist dann richtig stark. Dazu einen Schuss Baileys. Und einen Schuss Kahlua. Und dann die Inspiration des Augenblicks in der Form von Amaretto oder Frangelica oder Schokolade oder was auch immer. Eine neue Spezies hat das Licht der Welt erblickt. Voila – das ist Powerturbo!«
    »Der Doktor Frankenstein des Kaffees.«
    »Es leeebt!« Bashs Colin-Clive-Imitation war besser als das Original.
    »Der legt dich flach und macht dich gleichzeitig so richtig wach.« Jonathan fragte sich, wie viele der Powerturbos schon durch Bashs Adern geflossen waren.
    Sie mussten auf die gegenüberliegende Straßenseite ausweichen, weil irgendein Idiot vor ihnen versuchte, neben einer Schneewehe einzuparken, die doppelt so groß war wie seine Franzosenkutsche. Der Verkehr bewegte sich sowieso schon im Schneckentempo und jetzt ging gar nichts mehr.
    »He, du Schwanzzwerg!«, fluchte Bash vor sich hin. »Kauf dir einen Führerschein. Besorg dir ein Gehirn. Lern Autofahren. Leg dir einen gottverdammten amerikanischen Wagen zu!«
    »Wo sind wir jetzt?« Vorübergehende Panik überfiel Jonathan. Er dachte irrationalerweise daran, dass er allein durch diese Bosch-Landschaft niemals zum Busdepot zurückfinden würde.
    »Elmwood Park.«
    »Feucht oder trocken?«
    »Ich glaube, feucht.«
    »Dann gibt es doch einen Gott.«
    Er beobachtete, wie Bash kunstvoll herunterschaltete und die Geschwindigkeit vor einer Kurve zurücknahm, wobei er die Trägheit des Wagens geschickt gegen die

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