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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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herumjammern war einfacher als tatsächlich etwas zu ändern, irgendetwas zu tun. Er rechnete damit, dass sie mit der üblichen Erwiderung kam: Vergiss es Jonathan. Das ist ja nicht wichtig, oder? Es interessiert dich nicht, du verstehst mich nicht, und du wirst es auch nie.
    Stattdessen schüttete sie ihm ein halbes Glas weißen Bordeaux ins Gesicht. Vielleicht hatte sie in der Woche zu viele Filme gesehen. Eine melodramatische Aktion aus einer Seifenoper.
    Er rang hustend nach Luft, während sie hinausrauschte. Alle Konversation im Restaurant war plötzlich versiegt.
    Die Säure des Weißweins floss ihm in die Augen. Sie war beißend wie ein Desinfektionsmittel. Er konnte nur hören, dass Amanda ging, weil seine Augen in Tränen schwammen. Jeder sah zu ihm herüber. Na und? Irgendwo hinter sich hörte er ein Lachen, unvermittelt und deutlich weiblich. Dann verstohlenes Geflüster. Nichts davon enthielt auch nur einen Hauch von Mitgefühl.
    Er hatte sich von Amanda nicht provozieren lassen. Herzlichen Glückwunsch. Du hast gewonnen. Hat dir ja auch viel gebracht!
    Er wischte sich das Gesicht ab. Der Kellner brachte ihm eine frische Serviette. Jonathan bestellte einen Cappuccino. Vielleicht konnte er hier sitzen bleiben, bis alle Zeugen ihr Mahl beendet hatten und gegangen waren. Fünf Minuten später war er trockener, und seine Verlegenheit ließ nach. Der Cappuccino schmeckte nach Barium. Er gab zu viel Trinkgeld.
    Er ging den ganzen Weg nach Hause, fünfzig Minuten, in denen er einen Fuß vor den anderen setzte. Zuerst dachte er nach, dann grübelte er und dann schäumte er vor Wut.
    Als er seinen Schlüssel benutzte, um die Tür aufzuschließen, fand er die Sicherheitskette eingehakt. Er lächelte in sich hinein. Und dann trat er brutal gegen die Tür, genau rechts neben den Türknauf. Die Kette gab nach und riss die Schrauben aus dem Holz, die wie Pimentkörner von einem weggeworfenen Horsd’oevre in der Gegend herumflogen.
    Sie würde erwarten, dass er schuldbewusst vor der Schlafzimmertür zögern würde. Dann könnten sie noch mehr bedeutungsschwangere Schweigepausen austauschen, noch mehr sinnlose Entschuldigungen murmeln und diesem Niedergang ihrer beider Leben weiter Vorschub leisten. Und noch ein Tag, an dem man seinen Zoll an Schmerz und Erniedrigung entrichtete.
    Jonathan hielt an der Schwelle nicht an.
    Er fasste sie an der Kehle, umklammerte ihren Hals mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der ihre Pussy immer seinen Schwanz ergriffen hatte. Er erinnerte sich an Zeiten, in denen sie sich nach dem Essen geliebt hatten, lachend, kabbelnd, gemeinsam. Sie wehrte sich und wimmerte, aber er war stärker, und sie war in einer ungünstigen Position.
    Dann sahen ihre verschreckten Augen, was er in der Hand hielt. Er hatte es aus der Küche mitgebracht.
    Er hatte Amanda nie geschlagen, und er tat es auch jetzt nicht. Sie schrie ihn an, seine Hände von ihr zu lassen. Dann bemerkte sie das seltsame Glühen in seinen Augen, und sie hielt zu ihrem eigenen Besten den Mund, wie eine in die Ecke getriebene Katze, die sich damit abgefunden hat, dass ihr Prügel bevorstehen.
    Jonathan wusste, was sie jetzt dachte: Tu es nur. Lass dich nur gehen. Du wirst später dafür bezahlen. Du wirst dich richtig schuldig fühlen.
    Fast gleichgültig fragte er sie, für wen sie sich eigentlich halte. Er hielt sie fest am Hals und presste sie in die Kissen, während er anderthalb Liter eiskalten Tafelwein über ihr ausleerte. Er strömte aus der Flasche, überflutete ihren Mund und ihre Nasenlöcher und durchnässte ihr Haar.
    Amanda versuchte zu schreien.
    So weit war es schließlich gekommen. Er tat ihr weh, als Erwiderung auf die winzigen Nadelstiche, die sie unbedacht verteilte und die immer wieder schmerzten, jedes Mal wenn sie den Mund aufmachte. Sie tat das automatisch, ohne sich dessen bewusst zu sein. Und Jonathans Antwort jetzt war in gewisser Weise genauso zwangsläufig. Roboterhaft. Mechanisch. Irgendjemand anders handelte hier und benutzte Jonathans Körper nur als eine Hülle.
    Er bereitete ihr Schmerzen, weil er ihr kein Vergnügen mehr verschaffen konnte. Jede Form von Emotion war besser als das verdorrte Vakuum aus Spannungen und das langwierige Gift ihrer verrottenden Beziehung.
    Sie röchelte schwer, hustete in wässrigen Kaskaden und lag schluchzend und wimmernd auf dem Bett. Jonathan ließ die Flasche absichtlich auf dem Nachttisch stehen. Sie würde gezwungen sein, das schreckliche Ding zu berühren,

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