Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
Vom Netzwerk:
führte dazu, dass sie wie ein kleines Mädchen wirkte. Wahrscheinlich musste sie immer noch ihren Ausweis vorzeigen, wenn sie einen Drink bestellte. Ihr Gesicht wurde von einer Wolke schwarzen lockigen Haares umrahmt, das unten von dem Schal und oben von leuchtend roten Pelzohrenschützern gebändigt wurde. Ihr Haar hatte einige Schneeflocken eingefangen, und Tröpfchen glitzerten darin magisch wie Weihnachtssterne.
    Sie zog ihren Schal über die Nase, ohne ihre Schritte zu verlangsamen, als Cruz sie vorbeiließ. Eine Doppelreihe goldener Münzknöpfe verlief vorn an ihrem Mantel, und sie trug braune Lederstiefel mit fünf-Zentimeter-Absätzen, so als wolle sie den Schnee herausfordern. Selbst in den Stiefeln war sie noch klein, knapp über eins sechzig oder so, mit gerade genug Kontur im Hinterteil ihres Mantels, um zu zeigen, dass sie eine gute Figur besaß. Sie stampfte mit einem aggressiven Schritt in die Schneelandschaft hinaus, der Cruz an ihre Schenkelmuskulatur denken ließ.
    Jetzt kam die Hitze nicht mehr nur aus dem Innersten des Postamtes, sondern stieg auch unter seinem Kragen hoch. Er schob die Tür noch mal einen Spalt weit auf, um hinter ihr her zu sehen. Sie ging nach Süden auf der gleichen Seite die Kentmore hinunter, die er gerade hochgekommen war. Er hatte keine Fußspuren bemerkt. Sie schien in der Gegend zu wohnen, in nächster Nähe des Postamtes, wenn sie sogar mitten in der Nacht ihre Briefe holte. Wahrscheinlich konnte er von seinen Eckfenstern aus sogar dorthin blicken, wo sie wohnte.
    Die plötzliche Geilheit erwischte ihn wie ein doppelter Jack Daniels auf nüchternen Magen. Manchmal packt einen die Leidenschaft unerwartet. Er wusste, als er sie in dem Wetter verschwinden sah, dass er den Rest der Nacht mit einer fürchterlichen Erektion umherlaufen würde, wenn er nicht etwas dagegen unternahm. Er war allein, kannte niemanden, und der kurze Anblick von ihr hatte ihn umgeworfen. Seine Arschbacken zogen sich mitleidig zusammen bei diesem Drang nach Befriedigung, der unter der Gürtellinie angesiedelt war.
    Aber da war nur er. Und der Kenilworth-Geist. Und Frosty der Weiße Riese in seinem Abholfach.
    Scheiße!
    Als er sich Fach 100 ansah, stellte Cruz fest, dass Bauhaus seine Last gerade um ein ganzes Kilo schwerer gemacht hatte – eine deftige Strafanzeige wegen Dealerei, wenn irgendjemand mit einer Dienstmarke mit ihm Ringelpitz mit Anfassen spielen wollte. Ganz abgesehen davon, dass noch ein weiteres Paket genau wie dieses hinter ihm in 307 lag. Die Lieferung von gestern, die immer noch da war. Nicht gerade angenehm.
    Seine Kopfschmerzen kamen zurück und versuchten, ihm die Augen von innen aus dem Kopf zu drücken. Dieser Mistkerl!
    Er warf Wechselgeld in einen der Münzfernsprecher, die in kleinen Alkoven in der Nähe der Doppeltüren aus Messing untergebracht waren. Nachdem er Bauhaus’ dämlichen Anrufbeantworterspruch abgewartet hatte (mit dem Also sprach Zarathustra- Introim Hintergrund, das Cruz aus 2001 kannte), tippte er einen Digitalcode ein, der eine Überprüfung der Leitung einleitete. Wenn die Leitung in Ordnung war, würde er danach mit einer wirklichen Person sprechen. Irgendjemand musste zu Hause sein, oder Cruz wäre nicht angepiepst worden, um diese Nummer zurückzurufen.
    Ein bisschen mehr elektronisches Gedudel. Und dann Charis Stimme, schnüffelnd und verschlafen: »Äh ja, hallo?«
    »Gib mir Bauhaus. Ich hab meinen Arsch hier nicht ins ewige Eis hinausbewegt, um mit deinem dämlichen Arsch zu reden.«
    Chari hickste und zog die Nase hoch. Dann fiel der Hörer mit einem Klinck auf die Gabel, als sie an ihren Herrn und Meister weitervermittelte. Cruz’ Toleranzgrenze war kurz vor dem Siedepunkt angelangt … und der Anblick der Frau, der er gerade begegnet war, brannte noch oben und unten weiter. Er sah eine kleine Pfütze geschmolzenen Schnees, wo sie an den kleineren Postfächern gestanden hatte.
    »Hey, Kiddie! Heute schon Verkehr gehabt?«
    »Wieso, zum Teufel, hast du mir so viel Zeugs angehängt? Soll ich mir sofort eine Glocke um den Hals hängen? Mir vielleicht eine Tätowierung auf die Stirn machen lassen, auf der DOPE steht?«
    »Schalt mal einen Gang zurück, Junge. Es ist einfach die Zeit, in der der Umsatz sich steigert. Angebot. Nachfrage. Schon mal davon gehört? Profit.« Bauhaus ließ ein rülpsendes Seufzen ab. »Macht dich geil, oder?«
    Cruz hatte seine Probleme, diesem Amateurgewäsch zu folgen. Was würde ein Profi wie Rosie dazu sagen? Er

Weitere Kostenlose Bücher