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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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und jede Fliese in seinem Badezimmer kam plötzlich viel klarer zur Geltung.
    Er hatte selbstgerechte Sniffer gekannt, die Halluzinationen bei dem bekamen, was Ärzte als »Klärung des Sichtfeldes« beschrieben. Es lief darauf hinaus, dass das, was das Gehirn für dich aufbereitete, der äußeren Umwelt zu entsprechen schien, weil es nicht absolut seltsam oder psychedelisch war. Es war nicht so, als wenn man einen oder zwei von diesen Oberstufenchemiecocktails eingeworfen hatte und der Raum sich plötzlich mit cheeseburgerspuckenden Gummidrachen füllte, die den Boogaloo tanzten. Cruz hatte den richtigen Namen von Spiderman vergessen, aber sein Schicksal konnte man als Beispiel nehmen: Der Spinner hatte es sich eingeredet, dass da kleine Spinnen überall auf seiner Haut krabbelten. Normale kleine Spinnen. In Massen. Aus seinem chemisch angeheizten Blickwinkel heraus war das wohl vollkommen logisch. Als er feststellte, dass er sie nicht einfach wegwischen konnte – und weil er sowieso so etwas wie eine Spinnenphobie hatte –, versuchte er, sie mit einer Lötlampe von seinen Armen und Beinen herunterzubrennen.
    Spiderman war dann in einer Spezialklinik für Brandwunden gestorben, die Lungen geröstet und kollabiert, weil er die Flammen eingeatmet hatte. Der Trip hatte sieben Tage gedauert.
    Spiderman war Vergangenheit. Cruz lernte seine Lektionen, wenn sie ihm so deutlich vor Augen geführt wurden, und so widmete er dem Geist von Kenilworth Arms zunächst keine Aufmerksamkeit.
    Sanfte Hammerschläge gegen seine Schläfen minderten den Spannungskopfschmerz, den er durch sein Zähneknirschen bekam. Er machte sich eine gedankliche Notiz, sich von Bauhaus etwas Librium zu besorgen. Sein Verstand speicherte das Memo auch sofort falsch ab, es fiel in einen Abgrund und war weg. Die Heizer schaufelten fleißig weiter, sie grunzten und wuchteten Schaufel um Schaufel der großen Weiße in den offenen Rachen seines Zerebralkortex. Mister Herzklopfen legte einen Zahn zu und ging vom Boogaloo zum Pogo über. Cruz’ Badezimmer wurde mit jeder Mikrosekunde blitzblanker.
    Aus all dem darin enthaltenen Chaos des Gebäudes konnten seine Ohren dieses eine unpassende Geräusch herausisolieren und sezieren, so einfach war das. Ein Seufzen?
    Es schwoll an und klang wieder ab, ohne Rhythmus, mit genügend Pausen dazwischen, um es fast zwischen den knallenden Türen und der dröhnenden Salsa-Musik zu verlieren. Cruz wusste, dass das Koks ihn eher sensibilisiert als bedröhnt hatte. Er erstarrte wie ein witternder Hund auf der Stelle und wartete. Das Stöhnen kitzelte die Peripherie seiner Wahrnehmung. Jedes Mal, wenn er dachte, er habe es wieder gehört, sausten blitzartig neue Informationen durch seine Nervenbahnen.
    Irgendwer zog eine Toilette ab, und Cruz verlor das Geräusch. Seine dunklen Augen schimmerten in einem Funken automatischer Feindseligkeit. Er war gerade genug geladen, um sich mit einem Fremden anzulegen. Das konnte dann auch einer mit einer Dienstmarke sein, das spielte keine Rolle.
    Ein Geist, schlugen die eifrigen Ameisen in seinem Verstand vor. Wohl eher irgendein durchgeknallter Junkie, der mit durchgebrannten Nervenenden regenbogenförmig Kotze über die Bodenfliesen in der Eingangshalle verteilte. Die übliche Samstagabend-Show.
    Vor der Tür konnte er wieder hören, wie das dämliche Blag von den Velasquez’ den Flur rauf und runter tobte. Cruz wollte den kleinen Windelscheißer eine lange Metalltreppe hinunterwerfen. Bei dem grellen Quieken von kleinen Kindern bekam er Zahnschmerzen.
    Er hatte Frau Velasquez und ihr Gelege an seinem dritten Tag im Kenilworth getroffen. Sie wohnten neben dem kaputten Aufzug. Am gleichen Tag hatte er festgestellt, dass sein Kühlschrank schizophren war. Wenn es ihm plötzlich in den durchgeknallten Freon-Kopf kam, dann schaltete er plötzlich ohne irgendein Anzeichen von Fehlfunktion oder ein verräterisches Geräusch den Thermostat von Frosten auf Braten um. Das schien immer dann zu passieren, wenn Cruz Lebensmittel wie Eiskrem oder Frischkäse oder etwas anderes hineinlegte, das nach fauliger Leiche roch, wenn es irrtümlich erhitzt wurde. Er wägte die Erfolgschancen ab, Fergus Schweinebacke einen besseren Kühlschrank aus den Rippen zu leiern, und kam zu dem Schluss, dass er wahrscheinlich schon die beste Kiste abgestaubt hatte, die die Gerümpelkeller anzubieten hatten.
    Ein Gang nach unten, an den besagten Kellerräumen vorbei, durch zwei knarrende Türen und einen Flur, der

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