Der Schacht
Bauhaus.«
Das Gewicht paßte ganz und gar nicht. Da war entweder ein Ziegelstein drin oder etwas viel tödlicheres als klebrige Kekse und Schokolade. Cruz stellte die Schachtel auf der Ankleide ab. Das eilte nicht.
»Onkel Bauhaus.« Er lachte.
»Jedermanns Papa. ›Kein Problem, Kleiner, alles was du willst – ist alles umsonst und alles ist cool.‹« Ihre Imitation war nicht schlecht. »›Kleiner‹ heißt dabei: jeder, der unter Bauhaus steht. Ein Handlanger, wie man früher so schön sagte … Aber morgen«, fuhr sie fort, »wenn die Abrechnung kommt, dann passt du besser auf deinen Arsch auf, damit du sicher bist, dass beide Backen und das Loch dazwischen noch da sind. Bauhaus ist ein Elefant, der nie etwas vergisst, was er dir gegeben oder geliehen oder für dich getan hat. Denn im Grunde ist alles doch nur für ihn.«
»Er wirkt ein wenig zu bemüht, allen alles zu geben, was sie haben wollen.«
»Ganz bestimmt – wenn es sich um Drogen, Sex oder Geld handelt. Versuch mal, dich hochzuarbeiten. Versuch, Macht zu gewinnen. Plötzlich wachst du dann in der Kanalisation von Chicago auf, und die Ratten knabbern an deinen Augenbrauen.« Dieser Vortrag schien sie zu amüsieren, aber ihre Züge verhärteten sich wie Gusseisen im Sinterofen.
»Ist das der Grund, warum du heute Nacht hier bist?«, fragte Cruz. »Eine Schuld, die du abzahlen musst? Rote Zahlen, die in Bauhaus’ Kontobuch wieder zu schwarzen Zahlen werden müssen?«
»Es gibt keinen anderen Grund, warum eine fremde Frau einen fremden Mann nach Mitternacht besuchen würde, Baby.«
Cruz nickte. Alles nur Geschäft. Er würde bekommen, was er verlangt hatte. Jede vergängliche Sekunde seines Lebens verstrickte ihn tiefer in Bauhaus’ Schuld, und er fragte sich, wie er das würde zurückzahlen müssen. Aber ihm gefiel dieses Gespräch. Jamaica redete intelligenter als jede von Emilios Cuinas, und sie sah auch besser aus als die meisten von ihnen. Wenn Cruz versuchte, eine aus Emilios Stall aufzulisten, dann fielen ihm nur Markennamen ein: Die Figur stammte aus dem Fitnessstudio Ironworks, das Zahnpastalächeln von Dr. dent. Ranson Hale (ein koksschniefender Wahnsinniger, der seinen Stammkunden Lachgaskicks umsonst verabreichte, wenn sie ihm neue Patienten vermittelten). Der Teint stammte von Uva-Sun. Die Titten von der NASA. Der Verstand aus Slapstick Comics.
Trotz des Make-ups und der roten Strähne waren Jamaicas Vorzüge echt. Ihre Zähne waren nicht perfekt. Ihre olivbraune Haut wurde durch eine Y-förmige Narbe unter ihrer Unterlippe durchbrochen – ein reizender Makel, der ihre Echtheit um so deutlicher betonte. Unter dem dunkelroten Nagellack waren die Fingernägel ihre eigenen – lackiert und gefeilt, aber geschäftsmäßig kurz. Keine Imitate, keine Fälschungen. Ihr spöttisches Grinsen deutete darauf hin, dass sie Cruz’ deutliche Meinung über ihren Nennonkel teilte.
Vielleicht ließ sich hier ein Freund finden.
Es dauerte eine Weile, bis sie tatsächlich zum Ficken kamen. Cruz mochte es, mit ihr zu reden, und seine Sympathie ließ ihn zögern und unbeholfen wirken. Was sie für Schüchternheit hielt, machte ihn für sie auf die gleiche Art attraktiv, wie er ihre Narbe anziehend fand. Wenigstens tat er nicht absolut weltmännisch oder versuchte, supercool zu wirken.
Sie sagte ihm, dass sie dem Drachen Zucker geben wolle. Cruz bereitete alles dafür vor.
Einen Teil des Kokainrestes, den er behalten hatte, als er Bauhaus’ Lieferung gestreckt hatte, hatte er dazu verwandt, um Freebase herzustellen, indem er die Unreinheiten mit Backpulver herausgefiltert hatte. Reines Kokainhydrochlorid aus einer Mischung herauszufiltern, die noch relativ frisch war, war ziemlich einfach.
Jamaica sagte, sie habe es am liebsten geraucht durch einen Bong voll Rum. Cruz hatte von dieser Methode in Miami gehört, hatte es aber noch nie selbst ausprobiert. Aber ihm fehlte so oder so eine Wasserpfeife dafür. Stattdessen zündete er eine Kerze an und faltete ein kleines Rechteck aus Alufolie. Man musste nur irgendwie den Kohlegeschmack ausschalten, der die Grenze zwischen kochender und verbrannter Freebase bildete. Er spielte mit der Flamme und der Alufolie wie ein Fischer, der den Kampf mit seinem Fang künstlich verlängert. Sie schniefte die milchigen Rauchwolken, die sich nach oben kringelten. Er sah, wie sich ihre Pupillen erweiterten, als die Droge anschlug.
»Wow!« Sie setzte sich heftig zurück und schnappte nach Luft, um die
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