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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Boden sah. Eine breite feuchte Schleifspur hatte sich mit dem Staub des Bodens vermischt und bildete jetzt eine dünne Schmierschicht. Sie begann bei dem verlorenen Schuh und führte direkt zu der Tür der Eisbox, die weit offen stand und angeblich nirgendwohin führte, außer in einen kleinen quadratischen Kasten, der an den Wänden mit dünnem Blech ausgeschlagen war.
    Wie Marisole sehen konnte, führte sie tatsächlich nirgendwohin.
    Auf dem Boden direkt vor der Box war noch mehr Blut. Viel mehr Blut, als sie bei der Geburt von Mario verloren hatte.
    Aus der Ecke sah eine schwarze Katze dem Geschehen uninteressiert zu und säuberte sich methodisch. Mario war nirgends in Sicht und, was noch schlimmer war, er gab auch keine Geräusche mehr von sich.
    Marisole hörte, wie hinter ihr in der Wohnung Eloisa zu schreien begann; schluckende, gurgelnde Babyschreie, die eine Kolik bedeuten konnten. Aber da stürmte Marisole selbst schon zur Tür von 320 und schrie selbst um Hilfe.
    Marios winziger Fuß steckte immer noch in dem Schuh.

10.
    Unterhalb seiner Knöchel fühlte sich Jonathan wie abgestor ben. Seine Turnschuhe quietschten, seine Socken waren völlig durchweicht, und seine Zehen ähnelten Eiswürfeln. Okay, okay. Bash hatte recht, Capra hatte recht, er würde sich jetzt ein paar Stiefel kaufen. Dem Winter würde nicht so schnell die Puste ausgehen, dass er mit seinem Schuhwerk noch eine Chance hätte. Ist ja gut. Ich gebe auf. Chicago hat diese Runde gewonnen.
    Manche Verhaltensmuster lassen sich einfach nicht abschütteln. Er entschloss sich, Bashs Aktenkiste in dem Wagen einzuschließen, obwohl es schon so spät nachts war und kein Dieb mit dem geringsten bisschen Verstand sich von der Kiste mit den Büchern und dem anderen Mist, der noch auf das Ausladen wartete, angesprochen fühlen würde. Es schneite sogar, um Himmels willen. Das einzige andere Lebewesen, das er seit Stunden gesehen hatte, war Cruz gewesen, sein Wohnungsnachbar über ihm.
    Jonathan nahm die beiden steilen engen Treppen mit seiner letzten Ladung dieser Fahrt, wobei seine Schuhe bei jedem Schritt quietschten. Er konnte jetzt eine Schüssel heißes Wasser oder auch einen elektrischen Fußwärmer gebrauchen, um sich wieder aufzutauen.
    Diverse Kisten waren vor der Außentür von 207 gestapelt. Eine nach der anderen mussten sie da durchgetragen und auf der anderen Seite wieder aufgestapelt werden. Dann konnte er die Vordertür schließen, konnte die wirkliche Tür zur 207 öffnen und die Prozedur von vorn beginnen. Fast so gut wie Hanteln stemmen. Technisch gesprochen war die andere Tür die winzigen Luftschleuse vor Nummer 205. Sein Nachbar, der sich noch nicht gezeigt hatte, besaß ebenfalls einen Schlüssel für die Außentür. Das schien ihm ein sinnloser und überflüssiger architektonischer Einfall, bis er begriff, wie das ehemalige Appartement aufgeteilt worden war.
    Sein Haar war feucht. Er hätte die Kapuze des Parkas aufsetzen sollen. Er tadelte sich selbst, dass er das Klima hier schließlich nicht gewohnt war und dass er sich ganz schnell eine Krankheit einfangen konnte, wenn er alles zu locker nahm. Er hatte sich schon mehrfach im Sommer in Texas erkältet, wenn er bei Hitzerekorden unachtsam in Supermärkten eingekauft hatte, die auf Kühlraumtemperatur herunterklimatisiert waren.
    Jonathan wischte sich das Gesicht ab, quälte sich aus dem Mantel und suchte in dem Chaos die Kiste mit den Handtüchern.
    Das Badezimmerlicht war eine nackte Glühbirne mit einem Ziehschalter, zugekleistert mit Klecksen weißer Farbe bei der letzten schlampigen Renovierung. Die billige Latexfarbe war dick über die Schalter geklatscht und hatte einige der Steckdosen verklebt, von denen es sowieso nicht viele gab. Die Verkabelung des Gebäudes würde wahrscheinlich jeden Elektriker in den Wahnsinn treiben.
    Jonathan stellte einen Geschirrkorb mit Küchenutensilien in der Badewanne ab. Es war eine von den frei stehenden Wannen mit Füßen und einem dieser runden Duschvorhänge. Er drehte den Heißwasserhahn der Mischbatterie auf und stellte fest, dass auch das Waschbecken übergepinselt war – wahrscheinlich, damit es mehr nach Porzellan aussah. Er klappte eine der Klingen seines Schweizer-Messers auf und bohrte, bis er auf Rost stieß. Den verschiedenen Farbschichten nach zu urteilen, hatte die ursprüngliche Oberfläche des Waschbeckens zum letzen Mal während der großen Depression Frischluft geschnuppert. Die Reste der Anstreichorgie hingen mit ihrem

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