Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
Vom Netzwerk:
abwartend sitzen wie eine ägyptische Statue mit zuckendem Schwanz. Als Jonathan die äußere Tür öffnete, schlängelte sie sich auf den Flur hinaus.
    »Und wie soll ich dich jetzt nennen? Hast du einen Namen?« Der Gedanke, das ein anderer Bewohner ihn hören könnte, war ihm plötzlich peinlich.
    Katze ist vollkommen in Ordnung.
    »Wie wäre es mit Hund? Ich habe noch nie einen Hund gehabt.« Er redete Blödsinn und hatte damit wohl den kurzzeitigen Anblick eines Katzenhinterns verdient, als die Katze sich aus dem Staub machte.
    Als Jonathan mit seiner letzten Ladung für diese Nacht zurückkam, fand er das Kenilworth Arms von Polizeiwagen abgeriegelt.

11.
    Ihr Begrüßungsspruch war: »Bauhaus hat gesagt, du wärst im Grunde deines Herzens ein Chivas-Mann.« Sie hielt die Flasche zur Begutachtung hoch.
    Cruz’ Augen gönnten der Flasche die Millisekunde, die sie verdiente, und beeilten sich dann, den Höhen und Tiefen, beziehungsweise den Anhöhen und Untiefen seines späten Besuches gerecht zu werden.
    Sein Hirn spielte ihm den Satz wieder vor, dass die ersten fünfzehn Sekunden für körperliche Anziehung die wichtigsten waren. Sein Herz und seine Hormone wachten auf. Adrenalin kam in Wallung. Ihr Klopfen an der Tür hatte ihm einen Schreck durch die Gedärme gejagt. Er hatte mehr Schnee in seiner Wohnung als draußen herumlag. Und mit einer so großen Menge Koks ist immer auch eine gewisse Form angespannter Xenophobie verbunden – so wie Benzin, das sich seinen eigenen Pegel sucht, wenn man es aus dem Tank eines anderen abzweigt.
    Die Schneeflocken, die ihre Schultern und Schuhspitzen zierten, hingen dort in dem phantasmagorischen Augenblick zwischen kristallin und tropfenförmig. Cruz Augen hatten genug zu tun. Er hatte eine nervöse, hektische Mexicana mit eingesunkenen Augenhöhlen erwartet, die an allem saugen oder es in sich hereinstecken würde, wenn sie dafür nur einen weiteren Schnief Angeldust kriegte, oder auch nur für einen Schlafplatz, wenn sie dafür nicht ernsthaft arbeiten musste.
    Sie war schneller als er. »Du bist Cruz. Dann darfst du mich Jamaica nennen. Hallo.«
    Sie hatte eine purpurrote Strähne im Haar und benutzte Isis-Wimperntusche, die mit glitzernden Sternchen gespickt war. Die ausgeprägten Wangenknochen und die geraden Brauen ließen Cruz vermuten, dass sie Italienerin war, vielleicht zweite oder dritte Generation Brooklyn. Die italienischen Vorzüge, aber ohne den schwankenden Gang und die gebärfreudigen Hüften. Sie trug einen langen Mantel aus schwarzem ungegerbten Wildleder mit einem großzügigen Kragen aus echtem Nerz. Sie begann, die schimmernden Elfenbeinknöpfe aufzuklicken.
    »Ich bin so eine Art Graf Dracula«, sagte sie. »Beim ersten Mal musst du mich schon hereinbitten.«
    Cruz gab den Weg frei. Sie schien das Labyrinth der Luftschleuse amüsant zu finden, so wie ein unpraktisches, aber trotzdem liebenswertes Spielzeug.
    Als sie den Mantel öffnete, strömte ihr spezielles Aroma in den Raum. Jasmin, dachte Cruz, vielleicht auch Objet d’Art, aber eigentlich ein bisschen herber.
    Welches Parfüm Jamaica auch benutzte, es sorgte auf jeden Fall dafür, dass Cruz anfing, sich darüber Gedanken zu machen, seine Erektion könne schon peinlich sein. Unter dem Mantel trug sie einen hautengen Lederrock, einen Chromgürtel und genügend Spitze für das nächste Madonna-Album. Ihre Stöckelschuhe hatten goldene Absätze. Pflichtbewusst kramte sie ein Kleenex aus ihrer Handtasche, um ihre Schuhe abzuwischen. Locker mal dreihundert Scheine an diesen schlanken Fesseln.
    Cruz fühlte sich ungehobelt und ungepflegt. Seine Hand fühlte sich versucht, zu überprüfen, ob sein Hosenstall wirklich geschlossen war. Er bedauerte es, sich nicht vorher im Badezimmerspiegel auf peinliche Krümel untersucht zu haben. Er sah Jamaicas sanft gekrümmte Hüftknochen, wie sie sich gegen das Leder schmiegten, und er fühlte etwas Eisiges in seine Lunge eindringen.
    Ihre Beine waren sensationell. Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass diese Beine viel zu viel Klasse hatten, um sich jemals um den fetten Körper von Bauhaus zu schlingen … dann korrigierte er sich. Natürlich taten sie das. Sie hatte ihn gefickt und ihn geblasen und ihn zum Keuchen gebracht. Alles eine Frage der Arbeitsmoral. Alles eine Frage der weißen Linien …
    Als sie den Mantel ablegte, überreichte sie ihm die Whitman-Keksdose, die sie unter dem Arm trug. »Das ist für dich. Noch ein kleines Andenken von Onkel

Weitere Kostenlose Bücher