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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Abgesehen von Bash oder von Capras Büro, wen sollte er schon anrufen?
    Und jetzt die alles entscheidende Frage: Würde er MR HAPPY anrufen?
    Er stellte sich Cruz wütenden Blick vor, wenn er nichts tat, um ihn aus dem Knast zu holen. Wie weit würde Cruz sich physisch rächen wollen? Jonathan hatte gesehen, wie er im Angesicht von Bullen, Handschellen und Provokationen ungerührt blieb.
    Woher hatte dieses leidenschaftliche Mädchen gewusst, womit sie durchkommen konnte? Jonathan bewunderte sie gar nicht so sehr, wie er wünschte, dass er sie auf einer instinktiven Ebene nachmachen könnte. Reaktion ohne vorher Nachdenken zu müssen; Vertrauen auf die eigenen Reflexe. Sie hatte mehr Mumm als er.
    Darf ich? Die Katze schlüpfte vor ihm in die Wohnung.
    Er hatte eine Lampe brennen lassen. Als er ans Fenster trat, waren bis auf einen alle Streifenwagen verschwunden, und nur die sich überlagernden Reifenspuren waren im Schnee zurückgeblieben. Den am Rande der Hysterie befindlichen Velasquez-Clan hatte man in einen der Wagen verfrachtet und für weitere Formalien aufs Revier gebracht. Man konnte es als sicher annehmen, dass die reinweiße Polizeibesatzung von Oakwood von Anfang an davon überzeugt war, dass diese kaffeebraune Mamma beschlossen hatte, sie habe ein Blag zu viel und müsse ihren Arbeitsaufwand eindämmen. Die Frage, auf der die Ordnungshüter von Oakwood heute am längsten herumreiten würden, war offensichtlich: Okay, du blöde Mex-Kuh oder Puerto Ricanerin oder was du auch sonst sein magst, was hast du jetzt wirklich mit der Leiche gemacht? Nur deshalb wimmelte es im Kenilworth nicht vor suchenden Bullen.
    Die Katze nahm ihre Untersuchung von Jonathans Kisten wieder auf. Bash hatte ihm ein zusammenklappbares Campingbett geliehen, das zwar größer als ein Notbett war, aber nicht ganz so groß wie ein normales Bett. Jonathan wollte seinem Rücken nichts von dem antun, was Fergus als Möblierung auftreiben mochte, obwohl er bei einem geflochtenen Schaukelstuhl aus einem der Gerümpelkeller zugeschlagen hatte. 207 war schon mit einer Kochplatte, einem Kühlschrank, einem Badezimmerschrank und einem Beistelltischchen ausgestattet gewesen.
    Irgendetwas stank.
    Der Kühlschrank gluckerte. Die Pumpe quälte sich mit einem Dröhnen, als leiste sie Schwerstarbeit. Vielleicht war der Motor gerade eifrig dabei, seine Windungen durchzuschmoren. Aber der Gestank war nicht elektrisch oder mechanisch, er war organisch, ein Hauch von Verwesung. Dazu war es hier aber zu kalt. Jonathan hörte, wie die Dampfheizung in der Ecke monoton arbeitete. Er wusste, dass sie voll aufgedreht war. Es war trotzdem eisig.
    Ein kalter Luftzug traf ihn vor dem Abstellraum. Die kalte Luft kam aus dem Badezimmer. Und sie trug den Gestank herein.
    War die Toilette übergelaufen? Seine Lippen teilten sich, weil sein Gesicht auf den Gestank mit einer Grimasse reagierte. Sein Körper forderte ihn auf, mit dem Mund zu atmen, wenn er nicht zusehen wollte, wie sein Essen wieder hochkam.
    Der Gestank ähnelte dem von verfaultem Fleisch, ein süßlicher Geruch, der ihn wieder an seine Kindertage erinnerte und daran, wie er ein verwesendes Eichhörnchen im Kaminabzug gefunden hatte. Er hatte an dem verrußten Riegel gezerrt, um die Lüftung wieder in Gang zu bringen. Der Riegel hatte zuerst geklemmt und war dann quietschend aufgegangen. Und der kleine Leichnam war herausgefallen und vor seinen Füßen auseinandergeplatzt, voll mit sich windenden kleinen Maden. Igitt.
    Jonathan fragte sich, ob auch andere Bewohner mit diesem Gestank zwischen frischer Hundescheiße und durchsuppten Verbänden leben mussten. Als er nach dem Lichtschalter über dem Waschbecken griff, erwischte ihn der Hauch eines Luftzuges, und für einen Moment absoluten Entsetzens war er sich sicher, dass sich noch jemand mit ihm in dem winzigen Badezimmer befand.
    Das Fenster neben der Badewanne war kaputt, und die meisten der scharfen, spitzen Splitter waren in die Wanne gefallen. Auf den Scherben, die noch im Rahmen hingen, steckten kleine gallertartige Klümpchen einer rotschwarzen Masse, die aussah wie blutiger Kot. Das Zeug war auch in der Badewanne, eine Menge davon. Es war über die Wannenränder verspritzt, als sei ein Güllewagen durch das Fenster entleert worden und der Großteil der Masse sei den Abfluss hinuntergelaufen. Nur die halbfesten, blutig roten Teile waren übrig geblieben und lockten die Fliegen an. Wo kamen bloß Fliegen in dieser Kälte her?
    Alles in allem

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