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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Oakwood.

13.
    Die Zelle war einfach nicht groß genug für Cruz und den Typen, der ihm an die Wäsche wollte.
    Die üblichen nächtlichen Spielereien in der Untersuchungszelle, dachte Cruz. Niemand im ganzen Zellenblock wusste, wie spät es war. Es gab keine Fenster, keine Uhren, und kein öffentlicher Bediensteter würde sein oder ihr Leben für den Abschaum in den Käfigen riskieren.
    Irgendwann am frühen Morgen konnte Cruz das Ergebnis eines Widerstandes gegen die Staatsgewalt, sprich gegen Officer Stallis, bewundern. Der Anblick war mehr, als ihm lieb war.
    Es war ein Typ um die neunzehn. Konnte man schlecht sagen bei all dem Blut. Er trug eine Bikerjacke, der man alle Abzeichen abgerissen hatte und alles, was hart oder scharfkantig war. Man hatte ihm seine Zigaretten und das Kleingeld abgenommen, den Gürtel und die Schuhe konfisziert, und dann wurde er stolpernd im Polizeigriff mit Handschellen hereingebracht. Seine Nase stand schief, und ein oder zwei Zähne fehlten im Oberkiefer. Er hatte sich die Unterlippe durchgebissen. Vielleicht war er auch gefallen und hatte sich unglücklich den Kopf an einer scharfen Kante aufgeschlagen – mehrmals. Danach hatte Officer Stallis ihm dann mit seinem Schlagstock behilflich sein wollen, wieder zu Bewusstsein zu kommen. Daraufhin hatte der Kerl dann eine Bewegung gemacht, die sowohl Officer Stallis als auch Officer Reinholtz als Bedrohung empfanden. Er hatte sich wahrscheinlich an den Kopf gefasst, um sich darüber klar zu werden, wo oben und wo unten war. Zum Glück war die hintere Tür des Polizeiwagens aufgeschwenkt und gegen den Verdächtigen geknallt – mehrfach –, was dann verhinderte, dass der Verdächtige einem der Polizisten körperliche Verletztungen hatte beibringen können.
    Cruz stand am Gitter und streckte seine Hände in den freien Raum jenseits der Stäbe hinaus, als Stallis seinen Fang für die Nacht hineinbrachte. Der Junge versuchte, sich dem Tempo und der Schrittweite des wachhabenden Polizisten anzupassen, aber der Bulle hatte es eilig, und der Verhaftete war sich immer noch nicht im Klaren darüber, auf welchem Planeten er gerade gelandet war. Er hatte keine Zeit, sich an die ungewohnte Gravitation und Atmosphäre zu gewöhnen. Auf dieser fremden Welt war man dazu gezwungen, das eigene Blut zu atmen. Direkt hinter dem Zellentrakt verlor der neue Gefangene das Gleichgewicht, fiel zu Boden und würgte.
    »Warten Sie, bitte warten … oh Scheiße!«
    Verärgerung zuckte über das Gesicht des Polizisten. Er benutzte einen klassischen Polizeigriff und schnappte sich die Füße und die Jackenaufschläge des zusammengekrümmten Gefangenen, so wie man einen Klappstuhl zusammenfaltet. Er wirbelte den Jungen herum und schmetterte ihn vornüber gegen das Metallgitter der Zellen. Cruz erinnerte das an die Art, wie man eine kopflastige Matratze gegen die nächste Wand klatscht, damit sie nicht vornüberfällt und einen unter sich begräbt. Cruz riss seine Arme zurück, aber es war schon zu spät. Tropfen vom neuesten Gast des Oakwood-Knastes, die nicht von den Gitterstäben zurückgehalten wurden, spritzten ihn an. Eine fürchterliche Bierfahne rülpste ihm entgegen und stach ihm in die Nase, zusammen mit dem üblen Gestank gerinnenden Blutes.
    »Scheiße!« Cruz spuckte vor allem auf die Uniform. Er war jetzt hinter Gittern und konnte gottverdammt noch mal so gut wie alles sagen, was er wollte, weil er jetzt sowieso keinen Einfluss mehr auf seine nächste Zukunft nehmen konnte. Er wünschte sich eine kleine Prise vom Weißen Riesen, damit er die Nerven behielt, bis er hier raus war. In diesem Augenblick war er froh, dass er sich zusammengerissen und nicht versucht hatte, vor Jamaica den großen Macker zu markieren. Sie kannte die Tour sowieso schon.
    Der Neue wurde in der Einzelzelle eingebuchtet, ein paar Türen den kahlen Flur hinunter. Er war also noch nicht volljährig, andernfalls hätte man ihn zu den anderen gesperrt. Sie würden dem armen Schwein so einiges anhängen: Sachbeschädigung, tätlicher Angriff, Behinderung von Ordnungskräften, Widerstand gegen die Staatsgewalt und was ihnen gerade noch so einfiel – zusätzlich zu dem, was der Junge eigentlich getan hatte. Die Kaution würde astronomisch hoch sein.
    Schöne Scheiße. Cruz wusste, dass seine eigene Kaution sicher vierstellig sein würde. Sie hatten 24 Stunden Zeit, ihn anzuklagen. Und so, wie die Polizeilogik hier in Oakwood funktionierte, hatte er auch kein Recht auf einen Anruf,

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