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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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die man zur Unbrauchbarkeit verbogen hatte. Er nickte zwar ein, konnte aber nicht schlafen, weil seine Nerven so angespannt waren, sein Kopf topplastig, so wie eine Bowlingkugel, die man auf einen Strohhalm montiert hatte.
    Er konnte sich nicht daran erinnern, ob er Jamaica überhaupt geküsst hatte, irgendwann einmal während der ganzen Nacht. Nichts weiter getan als sie geküsst.
    Officer Stallis hatte ihn in die Aufnahme gebracht, einer Kiste mit zwei Münzfernsprechern und einer Bank, die genauso kalt war wie der Fußboden. Die Bank war voller Holzsplitter und mit Graffiti übersäht gewesen. Durch zwei große bruchsichere Fenster hatte man den Flur überblicken können, der zum Zellenblock führte. Auf einer Seite hatte Cruz ein Fenster aus vernetztem Glas sehen können und dahinter den Aufenthaltsraum der Polizisten. Ein fetter Bulle mit Dienstmütze hatte da gesessen und sich die Sendungen in seinem tragbaren Sonygerät angeschaut, während er die Überwachungkameras beaufsichtigte und schmutzige Witze und Lügenmärchen über Verhaftungen und polizistische Tapferkeit erzählt hatte. In Oakwood gab es keine Streifenpolizistinnen. Nur in der Telefonzentrale hatte Cruz eine unifomierte Frau gesehen – ach ja, die Liste seiner Besitztümer, die er unterzeichnet hatte, war auch von einer Frau aufgestellt worden.
    Er hatte den Hörer eines der Münzfernsprecher abgenommen und dem Wählton gelauscht. Eine akustische Grenze, die er mit seiner Stimme überwinden und damit einen winzigen Teil von sich zurück in die Welt bringen konnte. Er besaß kein Kleingeld. Wen sollte er auch anrufen? Bauhaus direkt oder per Nachricht anzurufen war verboten, abgesehen davon, dass es auch nichts genützt hätte. Warum sollte er den Bullen gratis Informationen liefern, die sie erst aus ihm herauszuholen hofften?
    Ein Ferngespräch mit Rosie führen? Ganz bestimmt. Die Telefone waren direkt vor ihm und doch zu nichts zu gebrauchen.
    »Finger weg von dem Scheiß-Telefon, du Arschloch. Niemand hat dir erlaubt, jemanden anzurufen.«
    Das war Stallis gewesen, der geil auf neue Fingerabdrücke und Farbfotos war. Cruz hatte das Verhaftungsprotokoll unterschrieben, das ihm durch einen Schlitz zugeschoben worden war, ähnlich den Kassen an einer Tankstelle mit Nachtschalter.
    Beim Bedienen der Kamera hatte Reinholtz Probleme gehabt. Cruz’ Abzüge wiesen einen Grünstich auf, wie das Foto in Jamaicas Ausweis. Sie hatten mehrere komplette Fingerabdruckreihen genommen, inklusive der Handflächen, was bedeutete, dass ein Set an das FBI ging. Klasse. Cruz musste seine Hände in säuerlicher blauer Pampe waschen, die die Konsistenz von Schmalz hatte. Der Gestank hing ihm noch Stunden später an.
    Nachdem diese Prozedur überstanden war, wurde er zur Sammelzelle gebracht. Willkommen im Club Paradies, Arschmade. Als Neuankömmling war er das Ziel des allgemeinen Desinteresses, bis er darin vom nächsten Kandidaten dieser Nacht abgelöst wurde.
    Zusammengekrümmt, zitternd, halb schlafend, halb wachend, mit Schnodder, der wie zerstoßenes Eis in seiner Nase verklumpt war, und einem Schädel, der zum Viervierteltakt Walzer tanzte, wurde Cruz von einer Stimme wieder in die Realität zurückgeholt.
    »Barnett, der Schwanzlutscher, sagt, du bist ein Drogendealer, Mann.«
    Er sah zerschlissene Tennissocken und roch alte Kotze. Schweiß. Leder. Holzfällerhemd, Unterhemd, beide schmierig nach der Zeit im Knast.
    Auf der anderen Seite der Zelle holte sich eine Laus mit wildem verfilzten Haar und Augen, die so leer wie blanke Murmeln waren, heftig einen runter. Sein Schwanz ragte hoch wie das Heizelement einer Lötlampe.
    Cruz seufzte. »Barnett erzählt nur Scheiße.« Die Zelle schrumpfte um sie herum zusammen. Jetzt kam das Unvermeidliche. Er machte sich darauf gefasst.
    Einer der Füße stieß ihn rüde an. Ein Klopfen, um die Frostschicht um seine Gliedmaßen aufzutauen. »Warum, verdammt noch mal, bist du dann hier drin?«
    Wenn das einen von ihnen irgendetwas angegangen wäre, dann hätte Cruz das gesagt, als er hereingebracht wurde. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt war das etwas anderes. Jetzt hieß, dass das Arschloch vor ihm hier Dauerkunde war, ein notorischer Störenfried, dessen konfiszierte Schuhe Springerstiefel waren und in dessen Tüte mit seinen Habseligkeiten ein Cowboygürtel mit einer Messingschnalle stecken würde, die so groß war wie der Kühlergrill von einem 1954 Chevy, und eine dicke angestoßene Brieftasche, in deren Seitentasche

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