Der Schacht
offensichtlich Knast-Slang.
Der Hundebulle ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Kein Kautionsanwalt? Kein Richter?«
»Hä … wieso?« Jonathan musste seine Lippen anfeuchten.
Wieder dieser Blick, begleitet von einem mitleidigen Kopfschütteln. »Ich hoffe, du hast dein Sparschwein mitgebracht, Kleiner, denn die Kaution für den Gefangenen Cruz wird sich auf ein paar Tausender belaufen.«
Darauf war Jonathan vorbereitet. Mehr als dreitausend in Hundertern steckten in den Innenseiten seines Parkas. Er täuschte Überraschung vor. Jamaica hatte ihn vorbereitet. »Wie viele Tausender?«
»Kokain bringt zweitausend pro Unze, mehr oder weniger. Ich bin sicher, für deine … Kumpel ist das Geld aus der Portokasse. Zweitausendfünfhundert.«
Jonathan fühlte ein unsichtbares Stahlnetz, dass sich über seinem Kopf zusammenzog.
Jamaica hatte ihn gewarnt, nicht auf Beleidigungen oder Provokationen einzugehen. Bleib höflich und neutral. Gib keine Beleidigungen zurück und sprich nur dann, wenn du angesprochen wirst.
»Entschuldigung, Officer, aber das ist jetzt fast einen ganzen Tag her. Ich vermute, dass die ganzen Formalien erledigt sind, und ich möchte ihn jetzt hier herausholen. Bitte!«
Das schien den Hundebullen auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. Er nickte, die Zunge immer noch auf der Suche, kritzelte auf ein Formular und hob dann einen Hörer und rief den Aufseher an, womit Jonathan aus seiner Aufmerksamkeit entlassen war.
Die Tür hinter ihm öffnete sich, und Sergeant Barnett, der Robotterbulle, schlenderte hindurch und erkannte Jonathan. Seine Missbilligung war deutlich zu spüren.
»Ach, verdammt.« Er war müde, seine Stimme war belegt. »Da siehst du’s, Mallory. Ich habe dir doch gesagt, dass dieser Mistkerl ein Kumpel von dem Dealer und der Nutte ist. Gottverdammte Sauerei.« Offenbar war er sich nicht darüber im Klaren, dass der Hundebulle bei der Razzia im Kenilworth Arms gar nicht dabei gewesen war. Oder es machte auch gar keinen Unterschied. Vielleicht waren alle Oakwood-Bullen telepathisch miteinander verbunden und wussten alle alles, sobald einer von ihnen irgendetwas erfuhr. Bullenschläue.
Aber sticheln allein reichte dem Kerl nicht. Er war ein Veteran. »Tu mir mal einen Gefallen, Kumpel.« Er hob die Klappe in dem Tresen und quetschte sich durch, wobei seine Medaillen und sein Schießeisen klapperten. »Du wirst dich jetzt mal gegen diesen Tresen hier lehnen und nimmst deine Füße dabei nach hinten, stellst sie weit auseinander. Zeit für ein bisschen Petting.«
Der Hundebulle runzelte die Stirn. Er billigte dieses Vorgehen nicht.
Jonathan fiel der Unterkiefer hinunter. »Seh ich wirklich so blöd aus, dass ich in eine Polizeiwache stolpern würde und etwas Belastendes bei mir hätte?« Es war eine rhetorische Frage. Er wünschte sich, Jamaica wäre da und hätte gehört, wie er das gesagt hatte.
Der Robotterbulle schnaufte nur und kickte Jonathans Beine weiter auseinander. Die Durchsuchung war gründlich, professionell und demütigend.
Sie ließen Jonathan noch eine Dreiviertelstunde warten. Die Uhr im Vorraum der Wache war genauso wie die Uhren, an die er sich von seiner Schule erinnerte. Der dünne Sekundenzeiger war langsamer auf dem Weg nach oben, von sechs nach zwölf, und schneller auf dem Weg nach unten, von zwölf nach sechs.
Cruz wurde bis zur Vorverhandlung, die ungefähr einen Monat nach der Verhaftung stattfinden würde, auf freien Fuß gesetzt. Er kam durch die Zwillingstür zu der, die der Robotterbulle benutzt hatte.
Er sah aus, als sei er unter einen Bulldozer geraten. Er hatte Probleme mit der Tür. In einer Hand hielt er einen verschweißten Plastikbeutel mit seinen Habseligkeiten. Zuerst erkannte er Jonathan nicht.
»Hallo, Nachbar«, begann Jonathan, dem schon beim Anblick alles wehtat.
Das Begrüßungsnicken schmerzte Cruz sichtlich. Sein linkes Auge war völlig zugeschwollen und hatte die Farbe von Titanschmuck. Seine Lippen waren aufgeplatzt. Er bewegte seinen Mund wie ein seniler alter Mann, der sein durchgemöllertes Essen schlürft; Jonathan wurde klar, dass er gerade Inventur bei seiner Zunge und seinen Zähnen machte. Seine Bewegungen waren langsam und vorsichtig. Er hielt seinen linken Arm verkrümmt vor den Bauch, als werde der von einer imaginären Schlinge gehalten.
»Danke … dass du gekommen bist.« Er sprach es bissscht.
»Sieht so aus, als sei ich zu spät gekommen. Kann ich dir helfen …?«
»Nein. Bring mich
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