Der Schacht
während ihm das Licht der nackten Glühbirne in die Augen stach. Es war noch zu früh, um sich über so etwas Gedanken zu machen. Er lehnte sich vor und zog an der Pappe. Sie hielt. Er hatte sie ordentlich und fest eingepasst. Auf der kalten Außenseite fühlten seine Finger winzige Spuren von dem bräunlichen Dreck, mit dem er vorher in Mengen zu tun gehabt hatte; das Zeug, das die Katze auflecken wollte. Jetzt war es trocken und klebrig. Es erinnerte ihn an hochgewürgten Schleim, an frisches Knochenmark, an ein ganzes Wörterbuch voll unaussprechlicher Dinge.
Er wusch sich die Hände. Und er tat es noch mal, als er feststellte, dass der Gestank hartnäckig weiter an ihnen haftete. Nachdem das Wasser den Abfluss hinuntergegurgelt war, glaubte er, den Herzschlag des Gebäudes erneut zu hören. Bum-cha-cha. Dann wurde über ihm eine Toilettenspülung gezogen, es kam Leben in die Abflussrohre, und das geisterhafte Geräusch wurde wieder übertönt.
Die Luft war muffig und kühl. Vorsichtig bog er die Pappe zurecht und drückte – sie schnappte relativ einfach wieder in den Fensterrahmen ein.
Er überlegte, ob er bei Rapid O’Graphics vorbeifahren sollte, sobald die Sache im Gefängnis erledigt war. Bei Capra gab es alles. Jonathan konnte sich wahrscheinlich eine der großen batteriebetriebenen Taschenlampen leihen, eines von den Sechs-Volt-Teilen, die in der Garage lagen. Was den Luftschacht betraf, so roch er definitiv so, als sei eine halb aufgefressene lepröse Kreatur dort hinabgeworfen worden, um in der Brühe aus halb gefrorener Gülle und vergammelten Essensresten zu verfaulen. Vielleicht ließ sich irgendein sichtbarer Beweis finden, mit dem er losgehen und sich beschweren konnte. Jetzt reichte es erst einmal, dass die verdächtig durchhängende Badezimmerdecke nicht herunterkam und ihn mit wässriger Scheiße durchtränkte.
Morgen, ermahnte er sich. Aber jetzt war schon morgen. Es war hell draußen, und es regnete immer noch. Der Schnee dampfte. Dichter Nebel wirbelte durch den stetigen Niederschlag. Der Heizkörper von 207 rumorte, und die Wärme lief zaghaft aus ihm heraus wie aus einer triefenden Nase. Er war allen Göttern dankbar, dass er Bashs Radiator hatte.
Er musste darum bitten, ob er heute den Wagen noch einmal haben konnte.
Er ließ das Wasser laufen, bis es wieder warm war, und spritzte es sich ins Gesicht, dann wusch er die Krümel aus den Augenwinkeln. Eine Wanne voll mysteriösen Durchfalls, dann die Polizei, und schließlich war die Katze blutverschmiert zurückgekommen. Ein Kind war verschwunden, und er hatte eine Razzia über sich ergehen lassen müssen. Und jetzt war er wach, nachdem er vielleicht 45 Minuten geschlafen hatte. Und keine fünf Meter entfernt schlief eine Prostituierte, die mindestens einen Liter Sperma von anderen Männern in dieser Nacht geschluckt hatte, auf einer geliehenen Matratze, in geliehener Bettwäsche. Er rieb sich das Gesicht, um die Blutzirkulation wieder anzuregen; seine Nasenspitze war eiskalt. Er versuchte sich im Spiegel Amandas Gesicht über seinem eigenen Spiegelbild vorzustellen. Sie würde sagen … sieh dich doch mal an. Was für ein Triumph. Ein schönes Leben baust du dir da auf. Sieh dich nur an. Mann, du bist so fertig, du merkst gar nicht mehr, wie fertig du bist, »Geh zur Hölle«, sagte er zu dem Spiegel, dessen Ränder da, wo die Silberbeschichtung nass geworden war, angelaufen waren und dann Schimmel und Dreck angesetzt hatten.
»Gott, du bist eiskalt«, sagte Jamaica, als er zurück ins Bett kletterte. Sie schmiegte sich an ihn, griff nach seiner Hand und presste seine klammen Finger auf ihr Brustbein, nahe an ihr Herz. Er spürte das Klopfen in ihrer Brust, erst hektisch, dann ruhiger, als sie wieder einschlummerte. Er fühlte ihren Herzschlag, und er hörte keinen anderen mehr. Er versuchte sich vorzustellen, dass er wieder bei Amanda war, dass sie ihn auf eine so aufmerksame Art berührte, dass sich die Dinge zwischen ihnen auf wunderbare Weise wieder eingerenkt hatten. Und so, während er sich selbst belog, fiel er in seinen verdienten Schlaf.
Er musste für Cruz unterschreiben.
Die Umstände hätten amüsant sein können, aber Jonathan war nervös und auf sich allein gestellt. Jamaica hatte nicht die geringste Lust, die Schwelle des Polizeireviers von Oakwood noch einmal zu überqueren, und Jonathan musste sich eingestehen, dass er in seinem ganzen Leben noch nicht auf einer Polizeiwache gewesen war. Er hatte noch nicht
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