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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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einmal je zuvor mit der Polizei telefoniert, und jetzt stand er im Begriff, ihre helle, erleuchtete Höhle zu betreten. Alles, was er von den Vorgehensweisen und Vorlieben der Polizei wusste, stammte von zwei – man beachte – zwei Strafzetteln wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Und aus dem Fernsehen. Das meiste von dem, was er zu wissen meinte, war entweder naiv oder einfach falsch.
    Jamaicas Oberteil war völlig verschwitzt, und Jonathan hatte ihr ein XXL-T-Shirt und einen dicken Pullover geliehen, die sie unter ihrem Automantel trug. Sie gab die Fahrtrichtung an, und sie nahmen den Eisenhower Expressway ins Stadtinnere. Er hatte um den Block zu fahren, während sie in einem Sandsteingebäude an der Kreuzung zwischen Van Buren und Wells verschwand. Nach zehn Minuten war sie wieder draußen mit der Kaution für Cruz in der Schultertasche.
    Das Revier von Oakwood wurde von Unmengen von Außenlaternen beleuchtet. Die Parknischen und Wege waren alle geräumt. Salz und Chemikalien waren wie Parmesan über die Gehwege gestreut. Es knirschte, wenn man darüberging.
    Er bemerkte die massiven Glastüren, die Sicherheitskameras und die Notiztafeln. Handzettel wiesen auf Dienstplanänderungen und aktuelle Neuigkeiten zu den Veranstaltungen des Polizeisportvereins hin. Die Holzbänke, auf denen man warten musste, waren ohne jeden Komfort. Es gab ein drehbares Gestell für Prospekte. SAG NEIN ZU DROGEN. ZEHN REGELN, UM EINBRÜCHE ZU VERMEIDEN. VERGEWALTIGUNG IST KEIN KAVALIERSDELIKT. Das Zentrum des Raumes wurde von einem halbrunden Tresen gebildet, der laminiert und in scheußlichem Krankenhausorange gehalten war wie die Theke in einem McDonalds und der Assoziationen zu den Thronstufen eines marsianischen Monarchen hervorrief. Dahinter war ein zweieinhalb Meter hohes Fenster, dessen kränklicher Farbton es wie ein Einwegspiegel wirken ließ. Jonathan sah sich selbst darin, wie er mit den Fingern auf den Schalter klopfte und sich fragte, was er jetzt tun sollte.
    Er sah über seine Schulter. Es war niemand da außer ihm und den Münzfernsprechern. Aber zweifellos würde ein Knopfdruck ausreichen, und er wäre eingeschlossen.
    Ein Klingeln ertönte, und eine große Tür hinter dem Tresen wurde geöffnet. Eine identische Tür war in die massive Außenwand dahinter eingelassen. An beiden befanden sich klobige Aluminiumknäufe, und sie sahen so aus wie die Türen, an die Jonathan sich noch aus seinen Collegezeiten erinnerte. In beide Türen waren in Augenhöhe kleine Fenster aus bruchsicherem drahtverstärkten Glas eingelassen.
    »Wollen Sie irgendwas?«
    Es war ein Polizist in voller Uniform, der mindestens zwanzig Zentimeter kleiner war als Jonathan. Er hatte eine kahle Stelle auf dem Schädel, die sein buschiger Schnurrbart nur unvollkommen auszugleichen suchte. Seine Augen waren blutunterlaufen; braun wie die eines Labradors. Augen, die blickten, als wollten sie nicht über das Wetter plaudern. Seine Marke wies ihn als MALLORY aus, aber für Jonathan war das zu spät – der Mann war der Hundebulle.
    Er fühlte sich, als ob alles in Zeitlupe ablaufen würde. Voyager an Jonathan. Er machte einen Versuch, das »Äh« aus seinem Sprachapparat zu verbannen.
    »Ich bin wegen Cruz hier.« Es war raus. »Er ist gestern verhaftet worden.«
    »Anklage?«
    Jonathan zuckte unbestimmt die Achseln. Nicht meine Sache.
    Der Hundebulle zuckte ebenfalls die Achseln und kramte in seinem Aktenordner herum. Sein Desinteresse war unübersehbar. Seine Zunge spielte um seine Backenzähne, auf der Suche nach Essensresten. Er wendete sich einem Stapel gelber Durchschreibezettel auf dem halbmondförmigen Tisch zu und arbeitete sich da durch. Die Kohlepapiere hinterließen Spuren; sie waren wahrscheinlich auch der Grund für die schmierigen Fingerabdrücke, die Jonathan auf den meisten Papierstößen bemerkt hatte.
    »Ah. Ein wenig Zucker für die Nase im Kenilworth Arms«, sagte der Polizist – Verhandlung, Urteilsspruch und Strafmaß in einem Aufwasch. Seine eiskalten Augen bewerteten Jonathan angesichts dieser neuen Informationen neu. Jonathan erkannte Verdacht und Ablehnung. Er kämpfte mit dem Drang, sich umzusehen, ob nicht vielleicht jemand Verkommeneres gerade durch die Tür gekommen war, irgendein anderes verdächtiges Subjekt, dem der vorgefasste Blick des Polizisten gelten könnte.
    »Ich habe keine Ahnung, Mann, ich bin nur hier, um seine Kaution zu zahlen.« Innerlich krümmte er sich. Mann war für diesen Hüter der Gerechtigkeit

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