Der Schädelring: Thriller (German Edition)
ihrem Morgenmantel. Als sie ein T-Shirt und einen Pullover überzog, glaubte sie, etwas zu hören. Es klang wie einen Schlag gegen die Fensterscheibe. Das Glas war noch von der Dusche beschlagen und sie konnte nichts sehen. Sie nahm den Pfefferspray aus ihrer Tasche, verbarg ihn hinter dem Rücken und ging die Tür öffnen.
Walter stand an der Treppe beim Schneeballbusch. Er schien sich unbehaglich zu fühlen ohne seine Baseballkappe und mit einem Kurzarmpulli bekleidet anstelle seines üblichen Flannellhemds. Er sah aus wie ein Golfer anstatt wie ein Schreiner.
„Tut mir Leid, dass ich plötzlich so hereingeschneit komme“, sagte er. Seine Wangen verzogen sich zu vielen Fältchen, als er zu lächeln versuchte.
Julia strich ihr nasses Haar aus dem Gesicht. „Ist etwas kaputt, von dem ich nichts weiß?“
„Nein, nein. Ich bin nur zufällig vorbei gefahren und habe an Sie gedacht.“
„Die Elektrizität ist noch immer in Ordnung“, sagte sie. War es üblich, dass die Handwerker von Elkwood vorbeikamen, um ihre Arbeit zu überprüfen? War das eine weitere dieser verrücktmachenden, ungeschriebenen Regeln der stolzen Bergleute, wie die Einladungen, am Gottesdienst teilzunehmen?
„Na, fein. Möchte ja nicht, dass das Haus plötzlich in Flammen aufgeht.“
„Danke für Ihre Besorgnis“, sagte sie. „Leider bin ich in Eile. Ich muss zum Flughafen.“
Walter nickte; das Lächeln gefror auf seinem Gesicht. Er zwinkerte mit den Augen gegen das grelle Tageslicht. „Wohin geht’s dann?“
„Memphis.“
„Ach so. Alte Freunde besuchen.“
„Ja, sowas Ähnliches.“
„Ich möchte Sie nicht aufhalten. Ich brachte Ihnen etwas, das Ihnen vielleicht gefällt.“ Er zog einen Umschlag aus der hinteren Tasche seiner Jeans und streckte ihn ihr entgegen.
Julia schaute zu den Wohnungen auf der anderen Straßenseite hinüber und wandte ihren Blick dann zu Frau Covingtons Haus. Sie nahm den Umschlag und schaute hinein. Sie erwartete eines dieser Cartoon-Bibelbilder, das ein Verkehrsunfallopfer darstellte, welches durch die flammende Hölle schritt und schließlich feststellte, dass es tot war und es für die von Johannes, Vers 3:16, angebotene Rettung zu spät war.
Auf den ersten Blick sah der Inhalt wie Fotografien aus. Es waren jedoch keine Fotos, sondern Baseballkarten.
Ozzie Smith, Jack Clark, Willie McGee, Ted Simmons. Einige Scrub Pitchers und Utility Infielders, die Julian Javiers der Welt. Daneben einige ältere Karten – Bob Gibson, Lou Brock, Ken Boyer. Und die letzte . . . aller Wahrscheinlichkeit nach der Größte der Cardinals überhaupt: Stan Musical. „The Man“.
„Gefallen sie Ihnen?“ fragte er und schaute sie mit großen, ernsten Augen an.
„Ja, die sind wunderbar!“ sagte sie. „Mein Vater gab mir Baseballkarten als ich ein Kind war.“
Walter lächelte über ihren Glücksausbruch. Seine leicht schiefen Zähne ließen ihn unschuldig und jung erscheinen. „Einer meiner Kollegen gab sie mir vor langer Zeit. Sie lagen in einer Schublade. Ich habe noch andere, aber keine Cardinals.“
„Das ist sehr aufmerksam von Ihnen“, sagte sie. „Das kann ich jedoch nicht annehmen. Die sind doch sicher wertvoll.“
„Einige der älteren sind vielleicht etwas Geld wert. Der echte Wert liegt jedoch in ihrer Beliebtheit“, sagte Walter. „Mir bedeuten sie nicht so viel. Ich habe jedoch das Gefühl, dass sie Ihnen etwas bedeuten.“
Das leuchtete ihr auf eigenartige Weise ein. Sie betrachtete die Karten. Teile der Vergangenheit. Jedoch nicht der schlechten Vergangenheit, denn in den Fotografien war das Gras des Outfields grün, die Spieler lächelten und Baseball war nur ein Spiel.
„Na, ich lasse Sie dann gehen“, sagte Walter. „Ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise.“
„Vielen Dank, Walter“, war die einzige Antwort, die ihr in den Sinn kam. „Dies ist das Beste, das mir widerfahren ist, seit ich in Elkwood wohne.“
Er winkte, als er wegfuhr. Das Segeltuchdach des Jeeps war weg und seine Haare wurden vom Winde zerzaust.
Julia setzte sich auf das Sofa und betrachtete die Karten einige Minuten lang. Sie las die Statistik auf den Rückseiten, verteilte die Karten auf dem Kaffeetisch und reihte sie nach der Batting-Ordnung an. Sie genoss das seltene Gefühl des Lächelns auf ihrem Gesicht. Sie hatte beinahe vergessen, dass ein solch einfaches, kindliches Vergnügen noch möglich war.
Sie stellte den Videorecorder für das abendliche Spiel ein, zog sich fertig an und fuhr zum
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