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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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für den Rest des Abends Freibier. Das ist alles. Medaillen gibt es allenfalls drüben im Festzelt, für den Tagessieger im Amateurknaggeln. Sie müssen schon dort mitmachen, wenn Sie eine wollen.« Mit diesen Worten riss er sich los und eilte davon, um Herrn Horstens Erbrochenes loszuwerden.
    Jorge glotzte ihm konsterniert hinterher. »Keine Medaille? Allenfalls beim Knaggeln?« Er kratzte sich am Kopf. »Ein altes Trollsprichwort sagt: Keine Medaille ist schlecht, aber Freibier ist nicht ganz so schlecht.« Und deutlich lauter, über die Köpfe der aufgekratzten Zwerge hinweg: »Bier für meine Freunde! Euer edler Sieger schmeißt eine Lokalrunde!«

22
     
     
    Eine gute Stunde später hatte Jorge den Mechanismus der verdammten Humpendeckel noch immer nicht ganz verinnerlicht. Umständlich klappte er mit dem Daumen seiner künstlichen Hand das Blech hoch und trank. Mittlerweile war er schon wieder ordentlich besoffen, und er bedauerte fast ein wenig, dass ihm M.H. nicht noch einen weiteren Besinnungsspruch mit auf den Weg gegeben hatte. Vorsorglich, für alle Fälle. Als er aufstieß, schoss etwas Saures in seiner Kehle empor. Er schluckte es mit einem Schwall frischen Biers wieder hinunter.
    Diese Zwerge! Aufrechte Trinkerwaren sie nicht gerade -wie sollten so mickrige Geschöpfe auch nennenswerte Mengen an Alkohol in ihren winzigen Mägen unterbringen und mit ihren winzigen Nieren filtern? Eine Fehlkonstruktion der Natur, das waren sie. Dennoch …
    Noch immer hallten hie und da »Heil Sieger!« -Rufe durch das Zelt. Kleine, kompakte Hände schlugen Jorge anerkennend auf die Schultern, Bierkrüge krachten gegeneinander, und wie aus einem Mund sang eine kleine, aber umso heiterere Menge um ihn hemm: »Was trägt mein Herz so schwer am Borkenbolt?« Jorge, der die Melodie mittlerweile kannte, sang enthusiastisch und falsch mit. Seine Sitznachbarn hakten sich bei ihm unter, und eine Weile schunkelten sie einträchtig hin und her.
    Jorge verspürte einen leichten Schwindel, aber er fühlte sich gut. Endlich war er nicht mehr »das Scheusal aus dem Kuriositätenkabinett«, sondern ein aufrechter Trinker, eine Art gigantischer Ehrenzwerg. Eigentlich gut, dass M.H. abgezogen war. Er hätte ihm diesen Triumph vermutlich missgönnt, obwohl es sich ja nur um etwas Banales wie den Sieg bei einem Trinkwettbewerb handelte. Ob M.H. wohl insgeheim neidisch auf seine glorreiche Leistung war?
    Jorge bekam ein halbes Krügerschwein mit Brot vor die Nase gestellt und verschlang es begeistert. Immer wieder klopfte ihm jemand auf die Schulter. Ein paar Zwerge versuchten, ihn hochzuheben, gaben aber schnell auf.
    Nachdem das Schwein vertilgt war, wandte er sich an seinen Nebenmann, einen Zwerg, der ihm mit geröteten Pausbacken zuprostete. »Weißt du noch, wie ich den Trinkwettbewerb gewonnen habe?«, fragte Jorge.
    Der Zwerg nickte ernst. »Wie könnte ich das vergessen? Sie haben geschluckt und obsiegt. Eine reife Leistung! Wir alle hier sind schwer beeindruckt.«
    Jorge nickte. »Muss zugeben, das war nicht von schlechten Eltern. Weißt du, Zwerg, wir Trolle haben ein Sprichwort, und es geht so: Trink, was das Zeug hält, und du wirst jeden Wettbewerb für dich entscheiden.«
    Der Zwerg lachte und stieß mit ihm an. Die Steinkrüge klackten fröhlich. »Ein weises Wort. Prosit. Wohlsein. Heil Hindrych!«
    »Hau weg den Dreck«, brüllte Jorge und trank. Das Bier, schäumend, dunkel und würzig, lief ihm aus den Mundwinkeln und seine stachligen Wangen hinab.
    Ein Barlyner Hirte kam und wollte gestreichelt werden. Er rotzte grauenhaft. Jorge war noch nicht betrunken genug, um seinen Ekel zu überwinden und ihn anzufassen.
    So ging es eine ganze Weile. Jorge orderte mit schöner Regelmäßigkeit Bier, und die Zwerge beobachteten fasziniert, wie er immer weitertrank, obwohl er den Wettbewerb längst für sich entschieden hatte. Ein schüchterner Halbwüchsiger schlich heran und schenkte ihm die Nachbildung eines fellbuschverzierten Filzhutes. Er war winzig und sah noch alberner aus als die Originale. Jorge setzte ihn trotzdem auf.
    Andere Zwerge kamen und baten um ein Autogramm. Jorge, nicht geübt darin, Unterschriften zu verteilen, kritzelte mit einem vom Kellner geborgten Kohlestift ein großes, kindliches »J« auf zahllose Pergamentfetzen. Eine vollschlanke Zwergin zwinkerte ihm bei dieser Gelegenheit zu und flüsterte ihm ins Ohr, ob er sich nicht später hinter dem Festzelt mit ihr treffen wolle; sie würde Jorge einen »ganz

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