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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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andernorts wieder zu manifestieren, nicht jedoch mit feststofflichen Objekten wie etwa Goldkaunaps oder Juwelen im Gepäck; zum anderen hatte Oskulapius den entscheidenden Umstand übersehen, dass Jhanikzest zwar versiert war, jedoch nie eine thaumaturgische Ausbildung erfahren hatte, die ihn in die Lage versetzt hätte, ein derart kompliziertes Ritual zu wirken.« Hippolit verzog das Gesicht. »Bevor ich von meiner Suche nach der wahren Täterin zurückkehren und die Sache richtigstellen konnte, hatte sich der gramgebeugte alte Architekt in seiner Kerkerzelle erhängt – für die Öffentlichkeit ein klares Eingeständnis seiner Schuld. Nildred indes floh, wie ich später erfuhr, noch am selben Tage nach Xamen, wo sie aufgrund fehlender Auslieferungsabkommen sicher vor weiterer Verfolgung war.« Er ballte die Faust und schlug wütend auf die Tischplatte. »Hätte mir Oskulapius nur einen Tag mehr Zeit gelassen, hätte ich den Fall aufgeklärt, das Leben eines Unschuldigen gerettet und eine gewiefte Diebin hinter Gitter gebracht! So dagegen kassierte Oskulapius eine großzügige Belohnung – und nutzt seither jede Gelegenheit, sich in der Öffentlichkeit über mich lustig zu machen.«
    »Aktueller Stand: Herr Horsten elf, Herr Jorge ebenfalls elf.«
    Hippolit räusperte sich und leerte sein Wasserglas. »Verzeih, wenn mein Exkurs etwas ausschweifend war, Jorge. Aber ich denke, nun kannst du nach vollziehen, weshalb ich auf Oskulapius nicht allzu gut zu sprechen bin. Und weshalb es ihn mit solch diebischer Freude erfüllte, den Fall des ermordeten Schürfministers vor mir ›gelöst‹ zu haben. Ist es so?«
    Als eine Reaktion ausblieb, wandte Hippolit den Kopf.
    »Jorge?«
    Der Troll hing vornübergebeugt über dem Tisch, seine breite Stirn ruhte auf dem metallenen Deckel seines Kruges. Die Arme baumelten seitlich seines Körpers zu Boden, die mächtigen Schultern schwankten. Jorges Augen waren fest geschlossen, wie in seligem Schlummer, schnorchelnde Laute drangen aus seiner Nase und dem halbgeöffneten Mund.
    »Jorge? Kannst du mich hören?«
    Jorges Oberkörper neigte sich kaum merklich zur Seite, unschlüssig, nach welcher Seite er umkippen sollte. Falls er nicht binnen der nächsten Augenblicke erwachte, würde er unweigerlich auf dem Boden enden.
    Geistesgegenwärtig murmelte Hippolit eine konsonantenreiche Wortfolge. Er streckte die Hand aus und zeichnete mit zwei Fingern ein geometrisches Muster auf Jorges stoppelige Stirn.
    Ihm war klar, dass die Statuten des Schluckbewerbs die Anwendung von Thaumaturgie zugunsten eines Teilnehmers kaum dulden würden, aber das scherte ihn nicht. Ebenso wenig scherte es ihn, dass Jorge ohne sein Eingreifen den dämlichen Wettstreit verlieren würde. Viel entscheidender war, dass Jorge ihm nur im wachen Zustand als Reflexionsfläche für seine brillanten Gedankengänge dienen konnte. Während seines Berichts über die lange zurückliegenden Ereignisse in Panieth, für den aktuellen Fall gänzlich unerheblich, hatte Hippolit gespürt, wie die unzusammenhängenden Mosaiksteine des Borkudd-Falls in seinem Hinterkopf begonnen hatten, in eine ansatzweise sinnvolle Reihenfolge zu rutschen. Wenn er sich jetzt noch etwas weiter mit Jorge unterhielt, und sei es nur für einige Minuten …
    »Wie? Was? Wer? Alle Mann von Bord, wir laufen aus!« Mit einem Ruck fuhr Jorge in die Höhe. Der Metalldeckel des Bierkrugs hatte einen kreisrunden Abdruck auf seiner schweißnassen Stirn hinterlassen. »Blaak, was ist hier los? Ich fühle mich, als hätte ich zwanzig Stunden geschlafen. Und … ich habe Durst, bei Batardos!« Mit wildem Blick fixierte er seinen Tischgenossen. »Was hast du mit mir gemacht, M.H.?«
    Hippolit winkte ab. »Nur eine Besinnung niedriger Stufe, um deine Lebensgeister wieder auf Vordermann zu bringen. Kein Grund, mir zu danken.«
    Just in diesem Moment erschien der Kellner an Jorges Seite, der während der letzten Minuten durch Abwesenheit geglänzt hatte. Mit einem entschuldigenden Achselzucken stellte er Jorge einen vollen Krug vor die Nase. »Ich bitte die Verzögerung zu entschuldigen, der Herr. Wir hatten einen Versorgungsengpass.« Mit einem Kopfnicken wies er zur Rückseite des Zelts, die von einer der steinernen Grottenwände gebildet wurde. Mehrere Zwerge waren dort damit beschäftigt, ein leeres Bierfass in die Öffnung eines Versorgungsaufzugs zu wuchten. Ein frisch angezapftes stand dicht daneben auf dem Tresen.
    »Aktueller Stand: Herr Horsten zwölf, Herr

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