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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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den vollen Bierkrug in seiner Faust mit einer gewissen Betrübnis an – der Trauer des passionierten Trinkers, der ahnt, dass selbst seine Gier und körperlichen Kapazitäten irgendwann an ihre Grenzen stoßen müssen. »Wann kommst du ins Spiel, M.H.?«
    »Ich weilte zu jener Zeit ebenfalls in Panieth«, erklärte Hippolit und nippte wieder an seinem Wasser. »Ich hatte viel von dem phänomenalen Überwachungssystem des Herzogs gehört und wollte es mir mit eigenen Augen ansehen. Aus diesem Grund verbrachte ich meinen Urlaub dort, genauer: Ich weilte im Hause von Herrn Nicholachs höchstpersönlich. Mein Ruf war ihm zu Ohren gekommen, weshalb er mir kostenfreie Unterkunft und Bewirtung angeboten hatte. Als jemand die Frechheit besaß, in ein Haus einzubrechen, während ich darin schlief, fühlte ich mich in meiner Berufsehre gekränkt. Also bot ich dem Herzog ebenfalls meine Hilfe an, ganz ohne offiziellen Auftrag oder behördliche Unterstützung.«
    Jorge setzte ab und schnappte nach Luft. »Ich denke, ich kann mit einiger Gewissheit behaupten, dass mein Hirn jetzt vollständig in Bier schwimmt!«
    »Als Oskulapius vernahm, dass auch ich den Täter fassen wollte, verhöhnte er mich. Er mokierte sich öffentlich darüber, dass ein seniler Greis – mein damaliger Körper war über neunzig Jahre alt – es wagte, ihn, den Meisterermittler, herauszufordern. Im Vertrauen auf meine Fähigkeiten ignorierte ich ihn und machte mich an die Arbeit.«
    »Aktueller Stand: Herr Horsten zehn, Herr Jorge ebenfalls zehn.«
    »Sowohl der Tresorraum der Bank als auch die Schatzkammer, in der Nicholachs seine Preziosen aufbewahrt hatte, verfügten über Wände, die mit massiven Bleiplatten verkleidet waren, undurchdringlich für jegliche Art von Thaumaturgie – theoretisch! Bei der Recherche der Historie beider Gebäude stellte ich fest, dass sie von derselben Person geplant und erbaut worden waren, einem Architekten namens Jhanikzest. Ich erfuhr, dass dieser Jhanikzest noch lebte, allerdings seit Jahren mittellos und hoch verschuldet war.«
    Ganz in der Nähe erklang ein bemitleidenswertes Würgegeräusch, als sich Herr Horstens Leib der nicht abreißenden krugweisen Zuführung von Bier zu erwehren versuchte. Doch der Champion, gestählt durch ungezählte vorausgegangene Schluckbewerbe, bekam seine Körperfunktionen wieder in den Griff, bevor sie zu seiner Disqualifikation führen konnten. Wenige Augenblicke später hatte er seinen elften Humpen geleert. Ein neuer erschien auf Jorges Tisch.
    »Wie sich herausstellte, hatte Jhanikzest aus Kostengründen bei vielen seiner Bauwerke billigere Materialien verwendet, als er seinen Auftraggebern in Rechnung gestellt hat. Sowohl im Falle von Nicholachs’ Wohnhaus als auch beim Tresorraum der Bank war kein echtes Blei zum Einsatz gekommen, sondern lediglich dünne Platten aus Pernitt, einer gangganesischen Legierung, die keinerlei Schutzwirkung gegen Thaumaturgie bietet. Wie es der Zufall wollte, hatte nun Jhanikzest wenige Tage vor den Diebstählen verschiedene seiner alten Bauzeichnungen veräußert, um sich ein paar Kaunaps zu verschaffen. Käufer war eine Dame aus Palew, Nildred mit Namen, wie ich herausfand, eine ehemalige Kommilitonin des Herzogs. Mehr als eine Dekade zuvor, während Nicholachs’ thaumaturgischem Studium in Nophelet, hatte er das Mädchen geschwängert und anschließend fallen lassen. Mir dämmerte, dass Nildred nicht nur ein Motiv besaß, dem Herzog eins auswischen zu wollen, sondern durch Jhanikzests Pläne und ihre eigenen thaumaturgischen Kenntnisse auch über das erforderliche Wissen verfügte, Nicholachs’ Schatzraum sowie die Bank auszurauben. Sie musste die Täterin sein.«
    Hippolit senkte die Stimme, als er fortfuhr. Die Erinnerung an das Folgende fiel ihm nicht leicht. »Bevor ich Nildred aufspüren und festnehmen konnte, trat Oskulapius in Aktion. Irgendwie hatte auch er von Jhanikzests einstigen Sparmaßnahmen erfahren und leitete augenblicklich dessen Verhaftung ein. Laut Oskulapius hatte der Architekt das minderwertige Pernitt Jahrzehnte zuvor vorsätzlich verbaut, um sich die fehlende Schutzwirkung später zunutze zu machen; angeblich hatte er Staubelementare heraufbeschworen, die durch kleinste Hohlräume in die Schatzkammern drangen und sich anschließend mitsamt ihrer Beute entmaterialisierten – eine Rekonstruktion, die in zwei entscheidenden Punkten hinkte: Zum einen vermögen sich Elementare zwar auf Befehl zu entmaterialisieren und

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