Der Schaedelschmied
Schuhezubinder von Meisterermittler Oskulapius, einen dicken Stapel Papiere unter dem Arm.
»Man würde sich gerne ein wenig mit Ihnen unterhalten, Herr Hellmuth«, sagte Meister Rekten lächelnd.
7
»Was für einen Sinn sollte ein Abschiedsbrief haben, wo Schürfminister Borkudd doch ermordet wurde, meine Herren? Keinen, möchte ich vor dem Hintergrund meiner nicht unbeträchtlichen kriminologischen Erfahrung behaupten!«
General Glaxikos näselnde Stimme fräste sich durch Hippolits Gedankengänge wie ein Hohlbeitel durch weiches Holz. Hippolit versuchte, sie zu ignorieren, sich auf die Ergebnisse der zurückliegenden Obduktion zu konzentrieren oder zumindest auf eine sinnvolle These, die das Vorhandensein des Schreibens auf Borkudds Schreibtisch erklären mochte. Doch leider besaß das Labor im Seitenflügel des medizinisch-thaumaturgischen Klinikums, welches man den Ermittlern für ihre Untersuchungen zur Verfügung gestellt hatte, eine unangenehme akustische Eigenheit, die dies nachhaltig vereitelte: Aufgrund der gefliesten Wände und der glatten Decke – das klinisch grelle Licht wurde von einem Dutzend Gasleuchten an den Wänden gespendet -tönte das Organ des Anführers der Stadtwache Nophelets an nahezu jedem Punkt des Raumes gleichermaßen schrill und hallend, sodass man nirgends einen klaren Gedanken fassen konnte. Hippolit schloss die Augen und wünschte sich, Oskulapius hätte dem General das verfluchte Schriftstück nie gezeigt.
Kurz nachdem Hippolit die Stasis über Borkudds Studierzimmer aufgehoben hatte, waren die von Wymmler bestellten Mediziner aufgetaucht und hatten den Leichnam des Schürfministers in ein Klinikum in der Zehnten geschafft. Hippolit und Oskulapius hatten ihre Untersuchung des Tatorts fortgesetzt, wobei sie dem blutverkrusteten Hammer und den Schriftstücken auf der Tischplatte besondere Aufmerksamkeit schenkten. Oskulapius schickte seinen Assistenten mit unbekanntem Ziel davon, dann machten sich die beiden Ermittler ebenfalls auf den Weg zur Klinik – dicht gefolgt von Glaxiko, der, wiewohl kein Mediziner, offenkundig keine andere Eingebung hatte, in welche Richtung er seine Ermittlungen ansonsten fortführen sollte.
In einem großen, sauberen Obduktionssaal, dessen opulente chirurgische Ausstattung manches Klinikum in Nophelet nachhaltig beschämt hätte, unterzog Hippolit den Körper Borkudds wenig später zwei unterschiedlichen Prozeduren. Mithilfe einer Signaturprüfung stellte er zunächst sicher, dass bei der Ermordung des Ministers tatsächlich Thaumaturgie im Spiel gewesen war. Viel zu oft hatte er während seiner über siebzig Dienstjahre erlebt, dass Fälle, die auf den ersten Blick unmöglich und nur durch übernatürliche Einflüsse erklärbar schienen, letztlich gar nicht in das Ressort des IAIT fielen. Eine gezielte Falschaussage vonseiten eines Beteiligten, ein winziger chronologischer Fehler bei der Rekonstruktion des Tathergangs, und ein im Grunde simples Kriminaldelikt stellte sich auf haarsträubende Weise als »unerklärlich« dar – mit der Folge, dass ein ranghoher IAIT-Beamter kostbare Arbeitszeit verschwenden musste. Es empfahl sich daher, möglichst früh im Verlauf einer jeden Ermittlung Tatort oder Opfer auf das Vorhandensein einer Signatur zu überprüfen, des energetischen Fingerabdrucks, der bei der Anwendung von Thaumaturgie zwangsläufig zurückblieb.
Im Falle des getöteten Schürfministers erwies sich das von Lordprotektor Hindrych gewünschte Hinzuziehen zweier IAIT-Gesandter als durchaus gerechtfertigt: Kaum hatte Hippolit die notwendigen thaumaturgischen Befehle gesprochen und den beißenden Qualm über einem Schälchen verkohlter Kareninakenblätter beiseitegewedelt, hüllte ein fast unmerklicher bläulicher Schimmer den deformierten Schädel des Zwergs ein. Auch wenn die Reaktion schwächer ausfiel, als Hippolit erwartet hatte, stand nunmehr einwandfrei fest, dass bei der Ermordung Borkudds Thaumaturgie eine Rolle gespielt haben musste – wie und in welcher Form, das galt es noch zu klären.
Nachdem dieser Punkt abgehakt und Hippolits thaumaturgisches Miniaturlaboratorium beiseitegeräumt war, machte er sich daran, den Leichnam gemäß Norwien zu obduzieren, ein landauf, landab anerkanntes Protokoll, welches Art und Reihenfolge einer gerichtsmedizinischen Leichensichtung vorschrieb. Assistiert wurde ihm dabei, außer von einigen kleinwüchsigen medizinisch-thaumaturgischen Assistenten, die Wymmler abkommandiert hatte, von
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