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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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verbitte mir …«
    »BAMM-BAMM-BAMM!«, brüllte Jorge. »So ging es bei euch, oder? Mal im Ernst, dass in dieser komischen Stadt alle so verkniffen und steif sind, ist in meinem Augen ein untrügliches Indiz dafür, dass ihr in Wirklichkeit alle lieber einen strammen männlichen Anus als eine weiche zwergische …«
    »Herr Jorge! Treiben Sie kein Schindluder mit meinem Schmerz, nicht wahr?«
    Jorge hatte noch etwas hinzufügen wollen, doch im letzten Moment schloss er den Mund. Er hob die Drollychflasche, trank. »Käme nie auf den Gedanken.«
    Der sichtbare Teil von Hellmuths Gesicht war innerhalb kürzester Zeit rot angelaufen. Jorge machte sich eine gedankliche Notiz, dass er mit seiner Behauptung, wenn schon nicht ins Schwarze getroffen, so doch möglicherweise die Zielscheibe touchiert hatte. Er hielt Hellmuth die Flasche hin. »Auch einen Schluck? Klasse Zeug, dieser Drollych, kann ich nur empfehlen.«
    Herr Hellmuth versenkte seinen Blick wieder in seine Teetasse. »Bei Thellw«, flüsterte er.
    Jorge stellte die Flasche auf den Tisch zurück. »Zurück zum Thema, alter Freund. Du warst also der Privatsekretär des Individuums. Individuum, damit meint unsereins das Opfer. Fachsprache. IAIT-Fachsprache. Man könnte auch sagen …«
    »Was wollen Sie wirklich, Herr Jorge?« Die Augen unter den buschigen Brauen blitzten böse.
    »Ich will Drollych-Schnaps und ein paar Antworten«, erklärte Jorge. »Da du der Privatsekretär Borkudds, des Individuums, gewesen bist, kannst du mir bestimmt verklickern, was für eine Art Zwerg er war.« Jorge unterdrückte das Bedürfnis, ein fragendes Bamm-hamm-bamm? hinterherzuschicken.
    Mit einem Klappern stellte Hellmuth seine Tasse auf den Unterteller zurück und massierte sich die Nasenwurzel. »Was genau wollen Sie wissen?« Seine Stimme war zu einem kaum hörbaren Flüstern zusammengeschrumpft.
    »Alles«, rief Jorge. »Und wenn ich alles sage, dann meine ich: fast alles. Wie hat beispielsweise Borkudds Familie seinen Abgang aufgenommen? Hast du die Adresse seiner Frau? Habe nämlich vor, sie ebenfalls zu besuchen.«
    »Herr Borkudd war nicht verheiratet«, sagte Hellmuth.

Aha, dachte Jorge und ließ seine Faust ein letztes Mal lautlos in seine Kunsthand platschen.
    »Ich kannte ihn nur auf beruflicher Ebene, als sein Sekretär. Diese Ebene jedoch beanspruchte einen großen Teil seines Daseins. Er schien kein Privatleben zu haben – so gut wie keine Sozialkontakte, kein Umgang mit irgendwelchen Angehörigen, nicht wahr?«
    Jorge furchte die Stirn. »Was du nicht sagst. M.H., mein enger Vertrauter und Mitarbeiter – aber nicht auf die Weise eng, wie du jetzt vielleicht glaubst … also, M.H. hat mir auf der Fahrt hierher berichtet, dass der Barlyner an sich ein geselliges Leben führt, dass er in vielen Vereinen, zum Teil sogar Pflichtvereinen, organisiert ist und so weiter. Bei Bork war das anders?«
    »Herr Borkudd – Thellw sei seiner armen Seele gnädig! – ging völlig in seiner Arbeit auf, nicht wahr? Im Grunde kannte er nichts anderes. Sie müssen wissen, dass ihm als Schürfminister sämtliche Brüder in den Gruben …«
    Jorge winkte ab. »Schon gut, klar, ich weiß Bescheid, Mann, ich bin vom IAIT, ein wandelndes Lexikon! Ich weiß natürlich, dass ihr Zwerge vom Buddeln lebt, weiß ich alles, ich habe meine Hausaufgaben gemacht, bin schließlich nicht von gestern. Grobonskonit: die Wurzel eures Reichtums und eurer Eitelkeit. Und wenn Bork der Schürfminister war, war er für den ganzen Abbauquatsch zuständig, ist auch klar. Aber es gibt doch Hierarchien, Zwischenbosse und so was. Nimm zum Beispiel die Hierarchie beim IAIT: Ich stehe ganz oben, dann kommt erst mal lange nichts, schließlich irgendwann M.H. und dann …«
    »Herr Borkudd war, was das staatliche Förderwesen anging, Judikative, Exekutive und Legislative in einem, nicht wahr? In diesen Bereichen hatte er quasi die absolute Macht. Im Grunde unterstand ihm jeder einzelne Grubenarbeiter Barlyns – und jeder ›Zwischenboss‹, wie Sie es nennen. Heil Hindrych!«

»Wie? Ach so, ja: heil, heil. Warum sagt ihr das eigentlich dauernd? Irritierend. Egal. Heil Hynkel, wenns denn sein muss.« Jorge trank erneut einen Schluck Drollych. Allmählich spürte er, wie der kaum verdünnte Alkohol seine Gedanken träger und seine Innereien wärmer zu machen begann. »Aber das ist schon interessant, was du da erzählst. Bork war also der Obermacker, das Krügerschwein vom Dienst, wenn ich recht verstanden

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