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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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habe?«
    »Steile, energische Karriere. Ein starker Zwerg, erfüllt von Disziplin, Strenge, Durchhaltevermögen und …«
    »… und Drollych«, sagte Jorge und lachte. Weil Hellmuth nicht mitlachte, lachte er lauter und länger, als er eigentlich gewollt hatte. »Wurde er von seinen Mitzwergen geschätzt? Oder hatte er viele Feinde? Wie muss ich mir das vorstellen, Freund Hellmuth?«
    »Früher, in den alten Tagen, hätte Herr Borkudd nie etwas von seinen Untergebenen gefordert, das er selbst nicht zu leisten bereit gewesen wäre. Und damit meine ich die komplette Kette der Hierarchie, nicht wahr? Herr Borkudd war ein harter, aber gerechter Führer.«
    »Donnerlittchen. Das ist bei uns im IAIT ganz anders. Aber weiter!«
    »Ich weiß nicht, woran es lag, aber vor einiger Zeit – lange ist es nicht her, vielleicht zwei Jahre – veränderte er sich. Sein Wesen veränderte sich, nicht wahr? Hart, aber gerecht, so kannten ihn seine Untergebenen. Die Arbeiter wurden angemessen entlohnt. Wenn es unter Tage zu Unfällen kam, wurden die Familien der Verunglückten großzügig entschädigt. Kein risikoarmes Geschäft, die Grobonskonitförderung. Der Zenitsold der Brüder war den gängigen Tarifen angepasst.«
    »Sie waren also unterbezahlt.« Jorge grinste wissend. »Das hab ich mir gedacht. Wie bei uns daheim.«
    »Den gängigen Tarifen angepasst«, wiederholte Hellmuth schneidend. »Jeder, der in die ewige Nacht hinabsteigt, weiß um das Risiko. ›Die ewige Nacht‹, das ist unser Ausdruck für die Minen.«
    »Dacht ich mir schon. Ist nicht gerade weit um die Ecke gedacht, oder?«
    »Aber dann … veränderte er sich, nicht wahr? Herr Borkudd war, wie ich schon erwähnt habe, Judikative, Exekutive …«
    »… als auch Pluromaktive. Das hast du tatsächlich bereits gesagt, ich weiß Bescheid. Er hatte die Macht.«
    »So war es. Ich weiß nicht, was vorgefallen ist, aber plötzlich, ohne erkennbaren Anlass, verwandelte er sich. Von einem auf den anderen Tag wurde er zu einem richtigen Schinder, nicht wahr? Die Schichten der Brüder wurden länger, der Lohn gekürzt, die Arbeitsbedingungen … grauenhaft.«
    »Was meinst du damit?« Jorge neigte die Kristallkaraffe und ließ sich den letzten Rest Drollych auf die Zunge tropfen. Verflucht, war das Zeug scharf!
    »Unter Tage … die Brüder mussten unmenschliche Mehrfachschichten einlegen, sonst drohte ihnen fristlose Kündigung. Und ein arbeitsloser Zwerg, Herr Jorge, ist ein toter Zwerg, nicht wahr?«
    »Ich verstehe.«
    »Keine Krankenversicherung mehr, keine Sozialleistungen. Urlaub? Ein Fremdwort! Herr Borkudd ignorierte jahrhundertealte Tarifverträge, oder er schaffte sie einfach ab. Hunderte starben, teils vor Entkräftung, teils, weil es aufgrund der zurückgefahrenen Sicherheitsvorkehrungen immer öfter zu schrecklichen Katastrophen kam. Hunderte, Herr Jorge!«
    Eine Weile schwieg Jorge. Er kratzte sich das Kinn, dann die Stirn, auf der schon wieder borstige Stoppeln standen. Wie lange war es her, dass er geschniegelt und gestriegelt Madame

Nikettas Haus betreten und um ein Haar einen weggesteckt hatte? Höchste Zeit, sich wieder zu rasieren!
    »Seither hasste ihn das Volk. Jeder, der irgendwie mit dem Förderwesen zu tun hatte, hasste ihn – und das ist in Barlyn quasi jeder, nicht wahr?«
    »Du willst damit andeuten, der alte Bork hatte so viele Feinde, dass er quasi keine Feinde hatte?« Als Hellmuth nicht gleich antwortete, sondern bloß weiter in seinen Tee starrte, fügte Jorge hinzu: »Ich meine, weil keiner besonders herausstach? Keine Feinde, weil alle ihn gleichermaßen verab …«
    »Ich habe Sie schon verstanden, nicht wahr? Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Heil Hindrych!«
    »Wie? Ach ja, heil …«
    Ein dröhnendes Geräusch erklang, als hätte jemand einen Gong geschlagen. Sabatius, der Barlyner Hirte, erwachte aus seinem komatösen Dämmerzustand und hob den triefenden Kopf.
    »Du hast eine Türklingel?«, wunderte sich Jorge. »Hab ich gar nicht gesehen, bei Batardos.«
    Herr Hellmuth stellte seine Tasse ab, erhob sich und schlurfte zur Eingangstür. Jorge pellte sich aus dem viel zu engen Sessel und folgte ihm. »Besuch? Freund Hellmuth, wer mag das sein?«
    Hellmuth öffnete die Tür. »Heil Hindrych?«, erkundigte er sich.
    Jorge schob sich dicht hinter den Sekretär und blinzelte ihm über die Schulter. Was er sah, verwirrte ihn. Ratlos kratzte er sich im Schritt.
    Auf der Schwelle stand der mondgesichtige Kerl aus Sherlepp, der

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