Der Schaedelschmied
und seinem Assistenten stellten sich als nicht stichhaltig heraus. Im Rahmen einer arbeitsaufwendigen Recherche gelang es mir, den wahren Hergang des Mordes an Schürfminister Borkudd zu rekonstruieren.« Er machte Anstalten, die Hände in die Hüften zu stemmen, ein Vorhaben, das aufgrund der beiden riesigen Gepäckstücke misslang. »Ja, Sie haben richtig gehört, meine Herren: Ich sagte ›Mord‹! Denn Mord war es, keineswegs Selbsttötung, wie gewisse minderbemittelte Kriminalermittler attestieren zu können glaubten.«
»Ich hab schon mitgekriegt, dass du ›Mord‹ gesagt hast«, bekundete Jorge träge. »Aber wer hat ihn auf dem Gewissen?«
»Lassen Sie mich raten«, mischte sich Hippolit mit gesenkten Lidern ein. »Die am Boden zerstörte Witwe eines verstorbenen Minenarbeiters heuerte einen Thaumaturgen an, der Borkudd mit einer abgewandelten Variante des Körperlosen Schattens belegte, eines Fluches, der eine Art Phantom heraufbeschwört, welches sein Opfer auf ausgesucht widerwärtige Weise zu Tode bringt. Korrekt?«
Glaxiko starrte ihn fassungslos an, nickte zögernd. »Eine thaumaturgisch erzeugte Kreatur drang in entstofflichtem Zustand durch den Türspalt in Minister Borkudds Büro und ermordete ihn. Anschließend zog sie sich bis zu ihrer Entmaterialisierung in die Tiefen der Vierunddreißigsten zurück. Aber woher wissen Sie das, Agent Hippolit?« Seine sauber gezupften Brauen verzogen sich unwillig. »Haben Sie etwa bei meiner Unterredung mit dem Lordprotektor Mäuschen gespielt?«
»Ich? Bewahre!« Hippolit hob abwehrend die Hände. »Ich nehme an, Meister Alprecht war hocherfreut darüber, dass Sie Oskulapius’ mangelhafte Darstellung der Zusammenhänge korrigieren konnten?«
»Soll das etwa heißen, du hast die fünfhundert klimpernden Freunde kassiert, die der großzügige Obermotz noch mal ausgesetzt hat?«, fügte Jorge hinzu, mit einem Mal höchst interessiert.
»So verhält es sich«, bestätigte Glaxiko und hob andeutungsweise eine der Reisetaschen.
»Und Meister Alprecht hat Ihre Darstellung einfach so geschluckt?«, erkundigte sich Hippolit vorsichtig.
»Nicht ›einfach so‹, lieber Kollege. Er hat selbstverständlich Rückfragen gestellt – kluge, tiefschürfende Rückfragen, die zeigten, dass er meinen Ausführungen aufmerksam gefolgt war.«
»Nämlich?«, erkundigte sich Jorge, der unverhohlen die bargeldgefüllte Tasche des Generals anstarrte.
»Nun, er wollte beispielsweise wissen, wie vor dem Hintergrund eines thaumaturgisch ins Werk gesetzten Mordes das Vorhandensein eines Abschiedsbriefes aus Borkudds Feder zu erklären sei.«
»Ich vermute, Sie haben ihm daraufhin erklärt, das Phantom habe diesen geschrieben, ganz im Sinne der Auftraggeberin? Denn als Bewohnerin dieser Stadt war sie natürlich bestrebt, die Sache wie einen Selbstmord aussehen zu lassen. Aus Sicherheitsgründen.«
Erneut musterte der General ihn mit einer Miene ungläubiger Verwirrung. »Wie können Sie …?«
Hippolit winkte ab. »Nennen wir es Intuition. Und da es sich bei dem Phantom ja um eine thaumaturgische Kreatur handelt, bereitete es ihm auch keinerlei Schwierigkeiten, Borkudds Handschrift täuschend echt nachzuahmen. Mit Thaumaturgie lässt sich ja bekanntlich alles regeln, nicht wahr?«
General Glaxiko packte seine Taschen fester und drückte das Rückgrat durch. »Da Sie ja ohnehin schon alles wissen, Agent Hippolit, werden Sie wohl nichts dagegen haben, wenn ich mich jetzt verabschiede! An der Oberfläche wartet eine Kutsche auf mich, die mich nach Nophelet zurückbringen wird.« Mit hoch erhobenem Kopf stolzierte er an Hippolit und Jorge vorbei, hinter dem Zwerg her, der sich ebenfalls wieder in Bewegung gesetzt hatte. An der Tür der Pension hielt er noch einmal kurz inne. »Nur zu Ihrer Information: Lordprotektor Hindrychs Offerte über fünfhundert Goldkaunaps bleibt weiterhin bestehen. Ich teile Ihnen das aus reiner Kollegialität und Nächstenliebe mit -wenn Sie sich anstrengen, finden Sie vielleicht noch das eine oder andere Indiz, das meine Theorie bestätigt, und können den Betrag ebenfalls einheimsen. Ich empfehle mich!«
Damit war er verschwunden.
»Der gute, alte Glax«, murmelte Jorge. »Da geht er hin. Heim ins schöne Nophelet. Ohne uns.« Wehmütig starrte er dem General nach. Dann legte sich seine stoppelige Stirn in Falten, und er wandte sich zu Hippolit um: »Also, bei genauerer Betrachtung ist das doch komisch, M.H.: Selbst wenn wir mal gönnerhaft annehmen,
Weitere Kostenlose Bücher