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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Flackern. Das Monster riss einen seiner schlangenartigen Arme in die Höhe, dann einen zweiten und einen dritten, während aus den Tiefen seines formlosen Leibes ein durchdringendes, blubberndes Brüllen aufstieg. Schmatzend öffneten sich unzählige reißzahnbewehrte Mäuler an den Enden der Tentakel und zuckten suchend …
    … nirgendwohin! Von einer auf die andere Sekunde war die Kreatur verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Finsternis senkte sich über den kleinen Raum.
    »Und? Was denkst du?«, erkundigte sich Hippolit.
    »Was ich denke?« Schnaufend ließ sich Jorge auf die Matratzen fallen und fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. »Blaak, ich denke, dass ich mich um ein Haar eingeschissen hätte! Was sollte das, verflucht? Ein altes Trollsprichwort warnt: Noch so ein Spaß, und du musst dir einen neuen Assistenten suchen, weil der alte mit stehengebliebener Pumpe unter der Erde liegt!«
    »Schon gut.« Hippolit entzündete die Gaslampe neben der Tür, und Jorges Schlafgemach erstrahlte in gelblichem Licht. »Wie ich schon sagte: Du wusstest vorher, was passieren würde.«
    »Wie hätte ich denn auf so was vorbereitet sein sollen, bei Batardos? ›Ich zeig dir jetzt mal, wie euer Monstrum gemacht wurde‹, sagt Herr Hippolit. ›Sieh gut hin und beobachte, Jorges sagt Herr Hippolit. Aber dass der gute Jorge vielleicht ein gewisses Problem damit haben könnte, wenn plötzlich ein echtes, lebendiges, großes, brüllendes Monstrum mitten in seinem Schlafzimmer auftaucht, daran hat er wohl nicht gedacht, der Herr Hippolit?«
    »Ich gebe zu, der Effekt wirkte authentischer, als ich erwartet hatte. Verzeih!« Lächelnd stellte Hippolit eine längliche Holzkiste vor Jorge auf den Tisch. Sie hatte die Größe eines kleinen Werkzeugkastens und war auf allen Seiten geschlossen. Lediglich vorne, auf der Jorge zugewandten Seite, befand sich eine runde Öffnung, die momentan von einem Schieber verdeckt wurde.
    »Und? Glaubst du, was Glaxiko und du in der Vierunddreißigsten gesehen habt, könnte auf diese Weise erzeugt worden sein?«
    Jorge verschränkte die Arme vor der Brust und starrte den Kasten feindselig an. »Dass es wie erzeugt worden sein könnte? Ich verstehe die ganze Zeit nur Krügerschwein. Wie zum Henker hast du dieses Schleimbiest denn hier reinteleportiert?«
    »Keine Teleportation«, korrigierte Hippolit. »Was du gesehen hast, war eine Projektion. Gib acht!« Er klappte die Oberseite der Kiste auf und murmelte eine thaumaturgische Silbenfolge. Ein Glutglobulus von der Größe eines Vogeleies stieg aus dem Innern des Kästchens auf und blieb eine Handbreit darüber in der Luft stehen. Das Licht, das er abgab, war grün und so grell, dass Jorge geblendet die Augen schließen musste.
    »Toll«, grunzte er. »Jetzt bin ich um einiges schlauer. Da war also Licht in deinem Kasten. Das erklärt alles!«
    Hippolit schnippte mit den Fingern, und der Glutglobulus erlosch. »Quintessenziell. Eine starke, versorgungsunabhängige Leuchteinheit, deren Licht einzig durch die kleine Öffnung auf der Vorderseite aus dem Gehäuse entweichen kann.« Er klappte die Blende beiseite, hinter der eine geschliffene Linse von der Größe eines Silberkaunaps zum Vorschein kam. »Aber das ist längst nicht alles.« Mit spitzen Fingern griff er erneut ins Innere des Apparats und förderte eine Glasscheibe daraus hervor. Sie war mit einem feinen Muster bedeckt, offenbar einer Art Gravur. Er hielt sie Jorge hin, damit dieser das Motiv besser erkennen konnte. Es zeigte …
    »Das Monster!« Jorge schnappte nach Luft, verengte die Augen und schob seine Nase dicht an die kleine Glasplatte heran. »Und, bei Batardos – es bewegt sich!« Ungläubig sah er Hippolit an. »Wie machst du das?«
    »Der Trick ist gar nicht so kompliziert.« Hippolit legte die Scheibe auf den Tisch, wo das vielarmige Geschöpf immer wieder von Neuem suchend seine Tentakel hob und durch die Luft schwang. »Zunächst musste ich im Archiv eine fiktive Erzählung über ein möglichst grauenhaftes Ungetüm ausfindig machen, mit einer detailreichen Illustration. Dank Magister Krasten, dem freundlichen Archivar, stellte dies kein Problem dar. Dann wendete ich einen Duplizierer an – denselben Spruch, mit dem Meister Rekten eine Kopie von Borkudds Abschiedsbrief anfertigte – und bannte den ›Glaepperworkh‹, wie der Autor seine Schöpfung getauft hatte, auf diese Glasplatte.« Er nahm auf der Tischkante Platz und ließ geschäftig die

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