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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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auf dem Bett gönnte er keinen weiteren Blick.
    Er zog sich die Socken, das Hemd, die Hose und die Weste an, die er in Kopenhagen gekauft hatte, legte den steifen weißen Priesterkragen um und band sich das schwarze Plastron. Schließlich schlüpfte er in die festen schwarzen Schuhe und zog sich die schwarze Anzugjacke über. Er steckte die goldgeränderte Brille in die Brusttasche, packte sein Wasch­ und Rasierzeug in die Reisetasche und legte auch das dänische Buch über die französischen Kathedralen dazu. Der Paß des Dänen wanderte in die innere Anzugtasche, ein Bündel Banknoten desgleichen. Seine englischen Kleidungsstücke legte er in den Koffer, aus dem er sie entnommen hatte, und schloß auch diesen ab.
    Inzwischen war es fast 8 Uhr geworden, und Ernestine konnte jeden Augenblick mit dem Morgenkaffee kommen. Die Baronin hatte versucht, ihre Affäre vor den Dienstboten zu verheimlichen, denn beide waren in den Baron vernarrt gewesen, als er noch ein kleiner Junge war, und auch dem späteren Schloßherrn rückhaltlos ergeben.
    Vom Fenster aus sah der Schakal Louison den breiten Pfad, der zum Portal des Anwesens führte, hinunterradeln, während der leichte Einkaufsanhänger hüpfend hinter dem Rad herrollte. Im gleichen Augenblick hörte er Ernestine an die Tür klopfen. Er gab keinen Laut von sich. Sie pochte nochmals. »Ya vot', café, ma-dame«, kreischte sie durch die verschlossene Tür. Der Schakal überlegte kurz und rief dann mit verschlafener Stimme auf französisch:
    » Stellen Sie ihn nur ab, wir holen ihn uns, wenn wir soweit sind. « Ernestine sagte nur: »Oh.« Skandalös! Dahin war es also gekommen -und das im Schlafzimmer des Schloßherrn! Sie eilte die Treppe hinab, um Louison von ihrer Entdeckung zu unterrichten, aber da er fortgefahren war, mußte sie sich damit begnügen, dem Küchenausguß über die moralische Verkommenheit der Menschen heutzutage, die so ganz anders waren als zu Zeiten des alten Barons, eine längere Predigt zu halten. So konnte sie auch nicht das dumpfe Poltern hören, mit dem vier an zusammengeknoteten Bettlaken aus dem Fenster herabgelassene Gepäckstücke in dem Blumenbeet vor der Schloßfront aufschlugen.
    Sie ahnte nicht, daß auf dem Bett im Stockwerk über ihr der leblose Körper ihrer Herrin zu einer täuschend lebensecht wirkenden Schlummerpose arrangiert und der Toten die Bettdecke bis unters Kinn hinaufgezogen wurde. Sie hörte weder das Geräusch, mit dem der draußen auf dem Gesims hockende grauhaarige Mann den Fensterflügel hinter sich zuzog, noch den gedämpften Aufprall, als er mit einem Sprung auf dem Rasen landete.
    Was sie hörte, war das Brummen des Motors, als in dem zur Garage umgebauten Pferdestall neben dem Schloß Madames Renault angelassen wurde. Durchs Küchenfenster konnte sie den Wagen gerade noch um die Ecke biegen und über den vorderen Schloßhof die Auffahrt hinunterjagen sehen.
    »Na, was die nur jetzt wieder vorhaben mag?« murmelte sie kopfschüttelnd und stieg neuerlich die Treppe hinauf. Der Kaffee auf dem vor der Schlafzimmertür abgestellten Tablett war noch lauwarm und unberührt. Nachdem sie ein paarmal geklopft hatte, versuchte sie die Tür zu öffnen. Sie war abgeschlossen, und die Tür zum Gästezimmer ebenfalls. Niemand antwortete ihr. Ernestine fand, daß hier außergewöhnliche Dinge vor sich gingen, Dinge von der Art, wie sie sich seit den Tagen, da sich die Boches als Dauergäste im Schloß einquartiert und dem Baron die verrücktesten Fragen nach dem jungen Herrn gestellt hatten, nicht mehr passiert waren.
    Sie beschloß, Louison zu konsultieren. Er müßte jetzt auf dem Marktplatz angelangt sein, und jemand aus dem Café würde gehen und ihn ans Telephon holen. Sie wußte nicht, wie der Apparat funktionierte; sie glaubte, wenn man den Hörer aufnahm, müsse sich jemand melden und die gewünschte Person ans Telephon holen. Aber es war alles Unsinn. Sie hielt den Hörer zehn Minuten lang an ihr Ohr, ohne daß jemand das Wort an sie richtete. Daß die Schnur dort, wo sie die Scheuerleiste der Bibliothek berührte, säuberlich durchgeschnitten war, entging ihrer Aufmerksamkeit.
    Gleich nach dem Frühstück flog Claude Lebel im Hubschrauber nach Paris zurück. Wie er Caron später berichtete, hatte Valentin trotz der Behinderung durch die Sturheit der Bauern ausgezeichnete Arbeit geleistet. Gegen 8 Uhr war die Spur des Schakals bereits bis zu einem Café verfolgt, wo dieser gefrühstückt hatte, und Valentin suchte nach

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