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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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den er anschließend wieder in seiner kleinen ledernen Reisetasche verstaute. Ein paar Minuten später stellte er die Tasche für einen Moment ab, um einen Gepäckträger herbeizuwinken, und nach drei Sekunden war sie verschwunden. Zunächst beschwerte er sich bei dem Gepäckträger, der ihn zum Auskunftsschalter der Pan Am brachte, von wo aus er an den nächsten Beamten der Flughafenpolizei verwiesen wurde, der ihn zur Polizeiwache geleitete, auf welcher er dann sein Mißgeschick zu Protokoll gab.
    Nachdem eine Überprüfung ergeben hatte, daß die Handtasche unmöglich von irgend jemandem in der irrtümlichen Annahme, sie gehöre ihm, mitgenommen worden sein konnte, wurde ein Bericht aufgenommen und der Vorfall als vorsätzlicher Diebstahl gemeldet.
    Man entschuldigte sich dem hochgewachsenen, athletischen jungen Amerikaner gegenüber in aller Form wegen des bedauerlichen Unwesens, das Taschen-, Reise und Handtaschendiebe vorzugsweise in öffentlichen Gebäuden trieben, und informierte ihn eingehend über die zahllosen Vorkehrungen, mit denen die Flughafenbehörde ausländische Fluggäste vor Diebstählen zu schützen suchte. Der Amerikaner hatte den Anstand, seinerseits zuzugeben, daß einer seiner Freunde auf der Grand Central Station in New York in ganz ähnlicher Weise beraubt worden sei.
    Der Bericht wurde zusammen mit einer Beschreibung der verschwundenen Reisetasche, ihres Inhalts sowie des in dem Beutel \ befindlichen Passes und der Papiere allen Dienststellen der Londoner Polizei routinemäßig zugestellt und sein Eingang dort aktenkundig vermerkt. Als aber Wochen vergingen, ohne daß sich für den Verbleib der Tasche oder ihres Inhalts irgendwelche Anhaltspunkte ergeben hätten, geriet auch dieser Vorgang in Vergessenheit. Inzwischen war Marty Schulberg auf sein Konsulat am Grosvenor Square gegangen, hatte den Diebstahl seines Passes gemeldet und Reisepapiere ausgestellt bekommen, mit denen er nach der vierwöchigen Rundreise, die er gemeinsam mit einer ihm befreundeten Austauschstudentin durch das Schottische Hochland unternehmen wollte, in die Vereinigten Staaten zurückfliegen konnte. Der Verlust wurde auf dem Konsulat registriert, dem State Department in Washington gemeldet und anschließend von beiden Ämtern vergessen.
    Wie viele Flugpassagiere bei ihrer Ankunft vor einem der beiden für eintreffende Überseefluggäste reservierten Gebäude des Londoner Flughafens von der Aussichtsterrasse aus durchs Fernglas gemustert wurden, wird nie genau festzustellen sein. Trotz ihres Altersunterschiedes hatten die beiden Männer, die ihrer Pässe verlustig gingen, einiges gemeinsam. Beide waren etwa ein Meter siebzig groß, breitschultrig und schlank, beide hatten blaue Augen und Gesichtszüge, die denen des unauffälligen Engländers, der sie beobachtet und beraubt hatte, nicht unähnlich waren.
    Im übrigen war Pastor Jensen achtundvierzig Jahre alt, grauhaarig und trug beim Lesen eine goldgefaßte Brille; Marty Schulberg war fünfundzwanzig, hatte kastanienbraunes Haar und eine dicke Manager-Hornbrille, die er ständig trug.
    Das waren die Gesichter, deren Paßbilder der Schakal auf dem Sekretär in seiner Wohnung hinter der South Audley Street ausgiebig studierte. Er verbrachte einen Tag damit, Maskenbildner, Optikerläden sowie ein Herrenausstattungsgeschäft aufzusuchen, um sich ein Paar blaugefärbter Klarsicht-Kontaktlinsen, zwei Brilleneine goldgefaßte und eine mit schwerem schwarzem Gestell -, eine vollständige Garnitur, bestehend aus einem Paar schwarzer Mokassins, T-Shirt, Slip, cremefarbener Hose und himmelblauer Windjacke mit Reißverschluß und angestricktem Kragen und Manschetten aus roter und weißer Wolle, alles das Made in USA, zu besorgen, ferner ein weißes Hemd mit gestärktem hohem Kragen und schwarzer Krawatte, wie sie von Geistlichen getragen zu werden pflegen. Aus jedem der drei letztgenannten Artikel trennte er das Firmenschild sorgfältig heraus.
    Sein letzter Besuch an diesem Tag galt einem von zwei Homosexuellen betriebenen Laden in Chelsea, in welchem es Herrenperücken und Toupets zu kaufen gab. Hier erhielt er eine Tinktur, die das Haar mittelgrau, und eine zweite, die es braun tönte, zusammen mit ebenso präzise wie diskret erteilten Instruktionen darüber, wie die Flüssigkeit aufzutragen sei, um eine möglichst echt aussehende Färbung innerhalb kürzester Zeit zu erzielen. Er kaufte auch mehrere kleine Haarbürsten zum Auftragen der Tinkturen. Ansonsten - und abgesehen

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