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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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an, deren Augen auf ihn gerichtet waren - die seiner Frau mit beschwörendem, die der Geheimdienst-Gorillas mit kaltem Blick. Anschuldigungen, die doch nichts änderten, waren sie gewohnt. Der Ranghöhere der beiden deutete zum Schlafzimmer.
    »Los, packen Sie jetzt Ihre Sachen. Sie zuerst, dann die Frau.«
    »Was wird mit Sylvie? Sie kommt um vier aus der Schule, und dann ist niemand da, um sie hereinzulassen«, klagte die Frau. Der Korse starrte noch immer ihren Mann an. »Unsere Leute werden sie von der Schule abholen. Wir haben schon alles arrangiert. Die Direktorin ist unterrichtet worden, daß die Großmutter im Sterben liegt und die ganze Familie ans Totenbett gerufen wurde. Alles wird sehr diskret gehandhabt. Also los, beeilen Sie sich jetzt.«Jo-Jo zuckte mit den Achseln, warf seiner Frau einen letzten Blick zu und ging, gefolgt von dem Korsen, ins Schlafzimmer, um zu packen. Seine Frau zerknüllte ihr Taschentuch zwischen den Fingern. Nach einer Weile blickte sie auf.
    »Was - was werden sie mit ihm machen?« fragte sie den anderen Aktionsdienst-Agenten. Er war jünger als der Korse und stammte aus der Gascogne.
    »Mit Kowalsky?«
    »Mit Viktor, ja.«
    »Ein paar Herschaften wollen mit ihm sprechen. Das ist alles.«
    Eine Stunde später saßen die Grzybowskis im Fond eines großen Citroën, der sie in ein abgelegens Gebirgshotel im Vercors brachte.
    Der Schakal verbrachte das Wochenende an der See. Er kaufte sich eine Badehose, sonnte sich am Strand von Zeebrügge, badete mehrmals und durchstreifte die kleine Hafenstadt, um die einst britische Matrosen und Soldaten verzweifelt gekämpft hatten. Möglicherweise hätten sich einige der bärtigen alten Männer, die auf der Mole saßen und ihre Angeln nach Seebarschen auswarfen, auf Befragen an das Blutbad, das hier vor sechsundvierzig Jahren stattgefunden hatte, erinnert. Aber er fragte sie nicht danach. Die einzigen englischen Stimmen, die man an diesem Tag am Strand hören konnte, waren die einiger englischer Familien, die die Sonne genossen und dabei ihre in der Brandung badenden Kinder im Auge zu behalten versuchten.
    Am Sonntagmorgen packte er seine Koffer und fuhr gemächlich durch die flämische Landschaft. Er schlenderte in den engen Gassen von Brügge und Gent umher, aß in Damm im Siphon-Restaurant ein über dem Holzfeuer gebratenes Steak und fuhr am Nachmittag nach Brüssel zurück. Bevor er sich schlafen legte, bat er darum, anderntags frühzeitig mit Kaffee am Bett geweckt zu werden, bestellte sich ein Lunchpaket zum Mitnehmen und erklärte, daß er in die Ardennen zu fahren beabsichtige, um dort das Grab seines während der letzten deutschen Offensive zwischen Bastogne und Malmedy gefallenen Bruders zu besuchen. Der Empfangschef zeigte sich ungemein mitfühlend und gelobte, daß der Schakal sich darauf verlassen könne, zum Antritt seiner Pilgerfahrt rechtzeitig geweckt zu werden.
    In Rom verbrachte Kowalsky ein weit weniger erholsames Wochenende. Er trat seinen Wachdienst, zu dem er bei Tage als Wachhabender am Empfangstisch im achten Stock und in der Nacht als Posten auf dem Dach des Hotels eingeteilt war, pünktlich an. In der wachfreien Zeit schlief er nur wenig und lag zumeist in seinem an einem schmalen Gang im achten Stockwerk gelegenen Zimmer auf dem Bett, rauchte und trank den herben Rotwein, der für die acht der Leibwache angehörenden Ex-Legionäre gallonenweise angeliefert wurde. Den Vergleich mit dem algerischen pinard, der in der Feldflasche jedes Legionärs zu gluckern pflegte, hielt der saure italienische rosso nicht aus, fand Kowalsky. Aber er war besser als gar nichts. Wie immer, wenn es weder Befehle von oben gab, die ihm die Verantwortung abnahmen, noch gültige Dienstanweisungen, die ihm die Entscheidung leichtmachten, brauchte er sehr lange,um zu einem Entschluß zu kommen. Aber am Montagmorgen hatte er sich entschieden. Er würde nicht lange fort sein, vielleicht nur einen Tag, möglicherweise auch zwei Tage, sollte es mit den Anschlüssen nicht klappen. In jedem Fall war es etwas, was geschehen mußte. Er würde dem patron hinterher alles erklären. Er zweifelte nicht daran, daß der patron ihn verstehen würde, obschon er bestimmt wütend wäre. Er hatte auch erwogen, dem Obersten alles zu erzählen und ihn um achtundvierzig Stunden Urlaub zu bitten. Aber er war sich ganz sicher, daß der Oberst, obwohl er ein beliebter Offizier war, der zu seinen Männern hielt, wenn sie in Schwierigkeiten geraten waren, ihn nicht gehen

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