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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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pflegt.« Er beugte sich vor. »Wir haben unsere Informationen nicht von Chalky, Ben, und es war ganz eindeutig, von welcher Art von Mädchen die Rede war. Von drogenabhängigen jugendlichen Prostituierten.« Er beobachtete das Gesicht des Jungen scharf und meinte, eine Reaktion zu erkennen.

    »Was für eine Rolle spielst du bei dem Unternehmen? Den Zuhälter?«
    »Blödsinn!« Ben richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Anwalt. »Der redet nur Mist. Ich kenn keine Nutten.«
    »Wohin soll das führen, Superintendent?«
    »Zu Walter Tutting«, antwortete Jones, den Blick unverwandt auf den Jungen gerichtet, »dem alten Mann, der letzten Freitag fast totgeschlagen wurde - er wohnt in der Welling Lane drei in Bermondsey. Vor ein paar Stunden ist er aus der Bewusstlosigkeit erwacht.«
    Bens prompte Reaktion ließ vermuten, dass er die Antwort vorher einstudiert hatte. »Damit hab ich nichts zu tun. Ich hab mir am Freitag die Lunge aus dem Leib gekotzt - sonst wäre ich gar nicht hier gelandet.«
    »Mr. Tutting wurde mittags überfallen«, erklärte Jones, »und du warst zwölf Stunden später noch so gut beisammen, dass du über ein zwei Meter hohes Gitter klettern konntest. Möchtest du mir nicht sagen, wo du am Freitagmittag zwischen elf und eins warst und was du getrieben hast?«
    »Kann mich nicht erinnern.«
    Der Anwalt griff wieder ein. »Ben hat Ihnen schon beim ersten Gespräch erklärt, dass er an den Freitag keine klare Erinnerung mehr hat, Superintendent - wie übrigens auch nicht an die zwei Wochen vor seiner Einlieferung ins Krankenhaus. Er weiß nur noch, dass es ihm sehr schlecht ging und er möglicherweise mehrmals das Bewusstsein verloren hat. Sein Arzt hat bestätigt, dass das typische Symptome eines Diabetes Typ-1 sind sowie einer Ketoazidose, die eine zusätzliche Komplikation darstellt.«
    »Das weiß ich, Mr. Pearson. Ich erinnere mich auch, wie der Arzt davon gesprochen hat, dass sich ein Koma durch Benommenheit ankündigt, und ich frage mich, wie ein junger Mann in diesem Zustand...«, er ließ einen sarkastischen Unterton einfließen, »... der ihn daran hindert, sich an irgendetwas zu erinnern,
fähig war, sich bei Dunkelheit in Covent Garden zurechtzufinden.«
    »Ich war wahrscheinlich auf Autopilot.« Ben beobachtete Jones mit halbgeschlossenen Augen. »Wenn man einen Ort so gut kennt, findet man ihn auch im Schlaf. Aber ich erinnere mich nicht mehr dran, wie ich rumgelaufen bin oder so.«
    »Erinnerst du dich, dass du um die Mittagszeit in Bermondsey warst?«, fragte Jones.
    »Da war ich sicher nicht. Ich bin noch nie in meinem Leben dort gewesen - ich weiß ja nicht mal, wo das ist.« Stirnrunzelnd sah er seinen Anwalt an. »Darf der das überhaupt? Der Doktor hat ihm doch gesagt, wie krank ich war, und mit dem Zeug in meinem Rucksack hat das echt überhaupt nichts zu tun.«
    »Gibt es irgendwelche Hinweise, die Ben mit dem Überfall auf Mr. Tutting in Verbindung bringen, Superintendent?«
    »Keine direkten, aber wir vermuten, er weiß, wer dahintersteckt. Es wäre ein kluger Schachzug, wenn er uns das jetzt bestätigt.«
    »Ermitteln Sie einfach so ins Blaue, Superintendent?«
    Jones schüttelte den Kopf. »Weit davon entfernt. Das Einzige, was im Augenblick verhindert, dass Ben als Verdächtiger im Fall Tutting vernommen wird, ist sein Gesundheitszustand. Aufgrund seiner Krankheit sind mir vom Gesetz Beschränkungen auferlegt.« Er sah zu Bens Mutter hinüber, die wie immer mit gesenktem Kopf dasaß. »Die Person, die Mr. Tutting überfallen hat, kennt überhaupt keine Achtung vor alten Menschen. Zuerst wurden dem armen alten Mann seine Ersparnisse genommen, dann wurde er liegen gelassen wie ein Stück Dreck. Es ist ein Wunder, dass er noch am Leben ist.«
    Mrs. Sykes hob den Kopf. »So etwas würde mein Ben niemals tun. Nicht wahr, Schatz?«
    »Natürlich nicht. Ich mag alte Leute. Chalky ist alt. Mein Stiefvater ist alt. Ich hab mich schon mal mit ihnen gezofft, aber ich würd sie nie schlagen.«

    »Ziehst du da die Grenze?«, erkundigte sich Jones.
    »Welche Grenze?«
    »Es ist okay, einen alten Menschen zu bestehlen, nur schlagen würdest du ihn nicht.«
    »Ich habe nie jemand Alten bestohlen.«
    »Dein Stiefvater sagt etwas anderes. Du hast dir am Tag, bevor du von zu Hause weggelaufen bist, mit seiner Scheckkarte dreihundert Pfund aus dem Bankautomaten geholt. Als er danach seine Kontoauszüge durchgesehen hat, hat er weitere Abhebungen kleinerer Beträge entdeckt. Er macht

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