Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
Vom Netzwerk:
als er seinen Platz wieder einnahm und der Polizeibeamtin Zeichen gab, mit dem Protokollieren fortzufahren. »Nur noch ein paar Fragen, dann machen wir Schluss.« Er musterte ein, zwei Sekunden lang Bens gelangweilte Miene. »Du solltest deine Mutter bitten rauszugehen«, murmelte er, »außer es macht dir nichts aus, in ihrem Beisein über deine sexuellen Kontakte zu sprechen.«
    Das ließ ihn immerhin kurz aufhorchen, aber der Anwalt sprang in die Bresche, bevor der Junge den Mund aufmachen konnte. »Wir waren uns einig, dass Fragen lediglich die Gegenstände in Bens Rucksack betreffen würden, deren Diebstahl er offen zugegeben hat, Superintendent.«
    Jones nickte. »Wir sind aber der Meinung, dass Ihr Mandant diese Gegenstände von jugendlichen Prostituierten unter zwanzig bekommen oder gestohlen hat, Mr. Pearson, und mich interessiert seine Beziehung zu diesen jungen Mädchen.«
    Pearson lächelte kühl. »Wenn Sie diese Fragen einzeln stellen, Mr. Jones, werde ich Ben empfehlen, sie zu beantworten. Nicht aber, wenn Sie darauf bestehen, sie miteinander zu verbinden.« Er hielt einen Moment inne. »Vielleicht wäre es Ihnen
lieber, wenn ich das übernehme.« Er wandte sich an den Jungen. »Ben, hast du jemals von jugendlichen Prostituierten Diebesgut in Empfang genommen - oder etwas von Ihnen gestohlen?«
    »Nein.«
    »Hast du deines Wissens jemals eine Beziehung - sexueller oder anderer Art - zu einer jugendlichen Prostituierten unterhalten?«
    »Höchstens wenn Hannah eine war.« Er grinste über das Stirnrunzeln des Anwalts. »War nur’n Scherz. Ich hab nie was mit’ner Nutte gehabt.«
    »Bitte fahren Sie fort, Superintendent.«
    Jones musterte das Gesicht des anderen und fragte sich, was er wirklich über seinen Mandanten dachte. Pearson, Mitte vierzig und kultiviert, war als Fürsprecher eines ordinären Straßenflegels schwer vorstellbar. »Ich werde ohne Rücksicht auf diese Antworten weiter in dieser Richtung ermitteln, Mr. Pearson. Ben hat nachweislich schon früher die Naivität minderjähriger Mädchen ausgenützt. Hannah war zwölf, als er das erste Mal mit ihr Geschlechtsverkehr hatte. Er war fünfzehn.«
    »Diese Frage haben wir doch bereits abgehakt, Superintendent. Hannahs Eltern wollen die Sache nicht weiterverfolgen.«
    Jones lächelte skeptisch. »Es bleibt ihnen ja gar nichts anderes übrig. Ihre Tochter weigert sich, eine Aussage zu machen. Sie hat die romantische Vorstellung, dass ein abgegriffenes Foto und ein paar Briefe den Liebsten bei der Stange halten.« Er wandte sich an Ben. »Was gibt’s an Mädchen deines eigenen Alters auszusetzen? Sind sie zu gescheit, um sich von dir ins Bockshorn jagen zu lassen? Nicht so leicht herumzukommandieren?«
    »Wenn Sie meinen.«
    »Was glaubst du, wie Hannah reagiert, wenn sie hört, dass du dich mit Prostituierten herumtreibst?«
    Ben warf ihm einen feindseligen Blick zu. »Das geht Sie einen Scheißdreck an.«
    Pearson räusperte sich. »Mein Mandant war nie mit einer Prostituierten zusammen, Superintendent.«

    »Genau«, bestätigte der Junge. »Ich kenn überhaupt keine Mädchen in London.«
    »Du ziehst Jungs vor?«
    Ben zückte seine Fingerpistole und richtete sie auf Jones. »Verpissen Sie sich.«
    »Seit du hier in London lebst, hast du also nur einen einzigen Freund gefunden, und das ist Chalky? Willst du mir das im Ernst erzählen?«
    »Genau - und falls Sie mit Chalky geredet haben, der ist die meiste Zeit stockblau. Er hat wahrscheinlich die Schwuchteln gemeint - die nennt er immer ›Mädels‹ oder ›Ladys‹ und spuckt hinter ihrem Rücken aus. Er hat mir den Hinterhof gezeigt, weil er mich vor ihnen schützen wollte. Er hasst Schwule.«
    Jones nickte. »Das hast du uns schon bei unserem ersten Gespräch gesagt. Ich habe das Gefühl, du willst deinen einzigen Freund unbedingt zu einem ausgemachten Homophoben machen.«
    »Wenn das ein Schwulenhasser ist, dann ist das genau das, was Chalky ist.« Er schwenkte die Fingerpistole in Richtung Fenster und tat so, als ballerte er wild drauflos. »Er hat immer gesagt, wenn er seine Kanone noch hätte, würde er die Scheißer abknallen.«
    »Denkst du auch so?«
    »Klar. Schwule sind pervers.«
    »Aber mit zwölfjährigen Mädchen zu schlafen, ist es nicht?«
    Sofort sah der Junge hilfesuchend seinen Anwalt an.
    »Mit dem Thema sind wir durch, Superintendent.«
    »Da bin ich anderer Meinung, Mr. Pearson. Mich interessieren die minderjährigen Mädchen, mit denen Ihr Mandant in London Umgang

Weitere Kostenlose Bücher