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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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sich Vorwürfe, dass er seine Geheimzahl in seinem Terminkalender aufgeschrieben hatte und dir den Eindruck vermittelte, Stehlen wäre eine Leichtigkeit.«
    »Das ist was ganz anderes.«
    »Wieso?«
    »Von der Familie zu stehlen, ist was anderes, als von fremden Leuten zu stehlen.«
    »Und was heißt das? Dass es nicht so schlimm ist oder dass man damit leichter durchkommt?«
    »Mum und Barry wissen, warum ich es getan habe.«
    »Und dann ist es okay?«, fragte Jones trocken, den Blick auf die Frau gerichtet.
    Sie sah ihn an. »Es war eine schwierige Zeit für ihn. Er hat manches getan, was ihm leidtut. Barry und ich verstehen das.«
    Jones betrachtete aufmerksam ihr Gesicht. »Erstreckt sich Ihr Verständnis auch auf die Diebstähle der letzten vier Monate, die Ben zugegeben hat? Er gebraucht interessante Ausdrücke zur Beschreibung seiner Opfer - die weiblichen Opfer nennt er ›Schlampen‹ und die männlichen ›Wichser‹. Beides spricht von absoluter Geringschätzung der Menschen, die er bestiehlt.«
    »Aber keiner von ihnen war alt «, sagte Ben mit Genugtuung im Blick der hellen Augen, als meinte er, Jones eins ausgewischt zu haben. »Einen alten Typen würde ich nie Wichser nennen. Außerdem gibt’s von denen nicht so viele, die mit dem Handy
auf der Straße rumrennen. So leicht kann man die also nicht bestehlen.«
    »Ach, es ist also keine moralische Frage, sondern eine praktische. Wenn ein gebrechlicher Zweiundachtzigjähriger dir die Gelegenheit böte, würdest du ihn genauso behandeln wie einen Teenager.«
    »Ach, denken Sie doch, was Sie wollen«, sagte der Junge wegwerfend. »Mich juckt das doch gar nicht, wenn Sie mir das Wort im Mund rumdrehen.«
    »Vor einiger Zeit wurde einer alten schwarzen Frau das Handy gestohlen. Der Täter hat sie geschlagen und getreten und so schwer verletzt, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden musste.«
    »Damit hab ich nichts zu tun.«
    »Um das festzuhalten«, warf der Anwalt ein und sah auf seine Uhr. »Mein Mandant, Ben Russell, erklärt, dass er alte Menschen nicht bestiehlt oder geringschätzig von ihnen spricht. Ich verweise Superintendent Jones auf ein früheres Gespräch, bei dem über die Ausdrücke ›Schlampe‹ und ›Wichser‹ ausführlich diskutiert wurde. Das sind im Straßenjargon gebräuchliche Bezeichnungen für junge Frauen beziehungsweise Männer, sie lassen keineswegs auf Geringschätzung von Seiten meines Mandanten schließen.« Er tippte auf seine Uhr. »Wir hatten zehn Minuten vereinbart. Ich muss darauf bestehen, dass wir das Gespräch jetzt beenden.«
    »Unbedingt.« Jones’ Lächeln sah aus wie ein Zähnefletschen. »Haben Sie es eilig, Mr. Pearson? Wartet die Oper?«
    Pearson lächelte matt. »Ich mache die Regeln nicht, Superintendent, ich bin lediglich verpflichtet, Sie im Namen meines Mandanten daran zu erinnern, dass es sie gibt.«
    »Dann schlage ich vor, Sie erinnern auch Ihren Mandanten daran. Ich befinde mich hier in der lächerlichen Situation, als überarbeiteter Steuerzahler nicht nur die Ermittlungen gegen diesen geständigen Dieb zu führen...«, er wies auf Ben,
»... sondern gleichzeitig Sie dafür zu bezahlen, dass Sie ihn schützen.«
    »Ich fürchte, da haben Sie recht«, stimmte der Anwalt zu. »Die Franzosen würden das als absurdes Theater bezeichnen, aber es ist der Preis, den wir dafür bezahlen, dass wir in einer zivilisierten demokratischen Gesellschaft leben.« Er richtete einen kühlen Blick auf seinen Mandanten. »Doch ich verstehe Ihre Frustration. Mir ist bis heute kein Polizeibeamter begegnet, der das, was er täglich zu sehen bekommt, zivilisiert nennen würde.«
     
    Jones wartete, bis sie aus dem Krankenhaus draußen waren, ehe er die Beamtin fragte, was sie von der letzten Bemerkung des Anwalts hielt. »Hatten Sie den Eindruck, Pearson wollte uns etwas mitteilen?«
    »Nur, dass er den Jungen nicht mag. Und die Mutter auch nicht. Während Sie draußen mit Nick geredet haben, haben die beiden ununterbrochen gemeckert, sie würden von der Polizei schikaniert und dafür würden sie Entschädigung verlangen. Ich konnte Mr. Pearson ansehen, dass das Theater ihn ärgerte.«
    »Hat er etwas gesagt?«
    »Nur, dass er keine Grundlage für eine solche Behauptung sehe, aber es sei natürlich ihr gutes Recht, die Sache mit Hilfe eines anderen Anwalts weiterzuverfolgen.« Die Beamtin lachte unvermittelt. »Er meinte, sie sollten sich an die Kanzlei Absahner & Partner wenden und hoffen, dass so eine Klage auf

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