Der Schatten des Chamaeleons
Bankautomaten -
Walter Tutting. Haben Sie ihn wirklich nicht wiedererkannt, als er anfing, Sie zu stupsen?«
»Nein«, sagte Acland noch einmal. Die Verwunderung, mit der er den Superintendent ansah, wirkte echt. »Ich habe ihn für einen Wildfremden gehalten.«
»Dann haben Sie entweder überhaupt kein Gedächtnis für Gesichter, oder Sie waren immer ganz mit Ihren eigenen Gedanken beschäftigt, wenn Sie an der Bar saßen.«
»Es ist lange her«, meinte Acland. »Ich war vielleicht vier, fünf Mal hier, im Juni und Juli des vergangenen Jahres. Seither ist viel passiert.«
Jones nickte. »Sie sagten, Sie wollten den Kopf frei kriegen. Wovon?«
Acland antwortete nicht gleich. »Wir sollten im August den ganzen Monat zum Wüstentraining nach Oman«, sagte er schließlich. »Die ganze Planung und Organisation eines solchen Unternehmens nimmt einen so in Beschlag, dass man an nichts anderes mehr denken kann. Da hilft es, sich einen Ort zu suchen, wo man den Kopf ein bisschen frei kriegt.«
Er war ein schlechter Lügner. »Hat Ihnen denn nicht Ihre Freundin diesen Ort geboten?«, fragte Jones.
»Sie fand es gar nicht gut, dass ich nach Oman musste.«
Jones nickte. »Also haben nicht Planung und Organisation Sie so in Beschlag genommen, dass Sie an nichts anderes mehr denken konnten, sondern Ms. Morley?« Er hielt inne. »Waren Sie deshalb immer allein hier?«
Acland antwortete nicht.
»Harry Peel wurde vermutlich am 9. September 2006 ermordet. Wissen Sie noch, ob Sie an dem Wochenende in London waren, Charles?«
Beale beobachtete, wie Acland die Beine durchstreckte, um zusätzlichen Halt an der Wand zu finden. Er hatte den Eindruck, dass Acland dem Zusammenbruch nahe war, und es faszinierte ihn, dass der Mann ein so tiefes Bedürfnis zu haben schien, dem
Superintendent seine Unerschütterlichkeit zu beweisen. Er hatte den leisen Verdacht, dass diesem Bedürfnis Respekt zugrunde lag, aber ob Respekt vor Jones oder vor der Macht, die dieser in seiner Eigenschaft als Polizeibeamter ausübte, konnte Beale nicht sagen. Und es war auch nicht zu erkennen, ob Acland die Frage überhaupt verstanden hatte, denn er starrte Jones mit dem gleichen verwunderten Stirnrunzeln an wie zuvor, als er erklärt hatte, Walter Tutting nicht wiedererkannt zu haben.
»Gibt es bei Ihrem Regiment Unterlagen über Ihre freien Wochenenden?«, erkundigte sich Jones.
Acland nickte. »Aber ich kann es Ihnen selbst sagen. Ich war an dem Wochenende in London. Ich war drei Tage zuvor, am 6. September, aus Oman zurückgekommen.«
»Und Sie haben Ms. Morley besucht, die Sie einen Monat nicht gesehen hatten?«
»Ja.«
»Hat sie sich gefreut, Sie zu sehen?«
Schweigen.
Jones prüfte ein weiteres Datum in seinen Aufzeichnungen nach. »Wie sieht es mit dem 23. September aus?« Er blickte auf. »Waren Sie da auch in London? Wenn Sie eine Gedächtnisstütze brauchen - das war das Wochenende, bevor Sie in den Irak geflogen sind.«
Beide Beamte erwarteten, dass er fragen würde, warum dieses Datum wichtig sei, aber er tat es nicht. Er nickte nur wieder. »An dem Samstag war ich bei Jen in der Wohnung. Am Abend bin ich zum Stützpunkt zurückgefahren.«
»Um welche Zeit sind Sie in der Wohnung eingetroffen?«
»Mittags.«
»Wie lange waren Sie dort?«
»Zwei Stunden.«
»Was haben Sie danach getan? Sie müssen irgendetwas unternommen haben, wenn Sie erst am Abend zu Ihrem Stützpunkt zurückgekehrt sind.«
»Ich war im Imperial War Museum.«
Jones reagierte skeptisch. »Wird das zur Vorbereitung auf den Krieg empfohlen?«
»Keine Ahnung. Es hat mich interessiert.«
»Welche Ausstellungen haben Sie sich angesehen?«
»Einen Film über den Holocaust.«
»Das geht an die Nieren«, murmelte Jones. »Viel näher kann man der dunklen Seite des Menschen nicht kommen als in Filmen über die Grausamkeit des Krieges. Warum mussten Sie sich daran erinnern lassen, dass Soldaten sich nicht immer ehrenhaft verhalten, Charles?« Er machte eine kleine Pause. »Was hat sich an dem Tag zwischen Ihnen und Ms. Morley abgespielt?«
»Wir haben beschlossen, uns zu trennen.«
Jones blätterte seinen Block um und tippte mit dem Daumen auf eine Passage. »Bevor Sie sie vergewaltigt haben oder hinterher?« Die Frage war schroff genug, um eine Reaktion hervorzurufen.
Aclands an die Wand gestemmte Hand zitterte sichtbar. »Sind Sie deshalb hier?«, fragte er den Superintendent. »Stellen Sie mir deshalb diese Fragen?«
»Vergewaltigung ist ein schwerer Vorwurf,
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