Der Schatten des Chamaeleons
der den Toten identifizieren kann. Wären Sie bereit, uns zu helfen? Wir können warten, bis Sie mit Ihrer Schicht fertig sind.«
Sie versuchte, im Schein der Innenbeleuchtung den Zettel zu lesen. »Gibt es irgendwelche Zweifel an der Todeszeit? Hier steht, der Körpertemperatur gemäß müsste er irgendwann gestern am späten Abend gestorben sein.«
»Wir haben keinen Anlass, das in Zweifel zu ziehen.« Er sah sie forschend an. »Warum fragen Sie?«
Der innere Kampf, den sie ausfocht, spiegelte sich in ihren Zügen, dennoch vermied sie eine direkte Antwort. Stattdessen reichte sie ihm das Blatt zurück. »Am Ende steht, dass der Mann in schwer betrunkenem Zustand ins Wasser gefallen und ertrunken ist und dass nichts auf Fremdverschulden hindeutet. Gibt es daran irgendwelche Zweifel?«
Natürlich wurde Beale argwöhnisch. Sie würde diese Fragen nicht stellen, wenn sie nicht selbst Zweifel hätte. »Das werden wir erst morgen erfahren. Der Pathologe hat noch keine umfassende Obduktion durchgeführt.« Er faltete das Blatt und steckte es ein. »Was sagen Sie da, Doktor?«
»Dass ich vielleicht keine so gute Menschenkenntnis besitze, wie ich glaubte«, antwortete Jackson etwas rätselhaft. Sie starrte einen Moment die Fassade des Crown an, dann seufzte sie unvermittelt. »Ich habe keine Ahnung, wo Lieutenant Acland sich zwischen gestern Mittag und heute spätnachmittags aufgehalten hat, Inspector. Zuletzt habe ich ihn vor einem besetzten Haus in der Bread Street gesehen - unten beim Hafen -, und ich glaube, er war auf der Suche nach Chalky.«
24
Aus Derek Hardys Sicht kehrte nach Jacksons Abfahrt wieder für einige Zeit Ruhe im Pub ein. Jones und Beale setzten sich an einen freien Tisch und bestellten statt Bier Kaffee und Sandwiches. Sie waren freundlich zu Hardy und seinen Angestellten, verrieten aber mit keiner Silbe, warum sie noch da waren. Nach einer halben Stunde sagte sich Derek, sie machten eben Feierabend wie seine anderen Gäste, und ging hinaus, um nach Acland zu sehen.
Er drückte die Tür leise auf und warf einen Blick zum Bett. Im Licht der brennenden Nachttischlampe konnte er erkennen, dass es leer war. Ohne zu überlegen, trat er ins Zimmer, um sich umzusehen, und zuckte zusammen, als er Acland vollbekleidet im Schatten hinter der Tür stehen sah.
»Du meine Güte! Sie haben mich vielleicht erschreckt. Alles in Ordnung, Kumpel?«
»Was wollen Sie?«
Derek breitete die Hände aus, um zu zeigen, dass er in friedlicher Absicht gekommen war. »Ich tu nur, worum Jacks mich gebeten hat - ich schaue, wie es Ihnen geht.« Er wollte rückwärts wieder hinausgehen. »Tut mir leid. Ich wollte keinen Lärm machen, ich dachte, Sie schlafen vielleicht schon.«
»Haben Sie die Polizei mitgebracht?«
Hardy schüttelte den Kopf. »Aber zwei Beamte sitzen noch unten.«
»Ich habe Sie für die Polizei gehalten.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Es geht Ihnen wirklich gut?«
»Ja.«
»Aussehen tun Sie aber nicht so«, sagte Hardy unumwunden. »Sie sollten tun, was Jackson gesagt hat, mein Junge, und schön im Bett bleiben. Sie hat gesagt, sie holt Sie morgen früh ab.« Er bemerkte, wie die Schultern des jungen Mannes sich entspannten. »Kann ich Ihnen irgendwas bringen?«
»Nein, danke, Sir, ich habe alles, was ich brauche.«
Vielleicht waren es diese höfliche Anrede und der offenkundige Widerspruch zwischen Aclands Worten und seinem bleichen Gesicht; vielleicht erkannte Hardy auch, wie vorher Willis, wie jung der Lieutenant wirklich war. Wie auch immer, er streckte in väterlicher Sorge die Hand nach ihm aus. »Kommen Sie«, sagte er fürsorglich und nahm Acland beim Arm. »Kommen Sie, Sie müssen sich hinlegen.«
»Das würde ich an Ihrer Stelle lieber nicht tun, Mr. Hardy«, sagte Jones, der an der offenen Tür stand. »Ich denke, der Lieutenant schafft das allein.« Er trat ins Zimmer und musterte den wie erstarrt dastehenden Acland. »Das stimmt doch, nicht wahr, Charles?«
»Ja.« Acland befreite seinen Arm und wich in die Ecke zurück.
Jones nickte dem Wirt freundlich zu. »Ihr Barkeeper hat uns erlaubt, Ihnen hier herauf zu folgen.« Er wies auf den vor der Tür stehenden Beale. »Wir wollten noch mit Ihnen sprechen, bevor wir gehen.«
»Worüber?«
»Es kann warten.« Wohlwollend wandte er sich an Acland. »Ich wusste nicht, dass Sie noch auf sind, Charles. Wir haben auch an Sie noch einige Fragen, wenn Sie ein paar Minuten für uns erübrigen können. Das ist doch kein Problem,
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