Der Schatten des Chamaeleons
Verlobte die ganze Zeit mit jedem hergelaufenen Kerl geteilt hat.« Er schwieg in Erwartung einer Erwiderung. »Haben Sie Ms. Morley an dem Tag auch vergewaltigt?«
»Nein.«
»Zu sehr unter Schock? Fassungslos, dass Sie so naiv gewesen waren?«
Schweigen.
»Also sind Sie zwei Wochen später wieder zu ihr gefahren und haben sie brutal bestraft. Aber so läuft das nicht, Charles. Prostituierte haben auch Rechte.«
»Nicht, wenn sie erst das Geld nehmen und sich dann nicht an die Abmachung halten.«
»Wieso? Sie hat Sie doch aufgefordert, etwas ganz Dreckiges zu machen?«
»Sie hatte nie vor mitzumachen.«
Jones warf Beale einen fragenden Blick zu. »Können Sie noch folgen?«
»Ich glaube, der Lieutenant will sagen, dass da zwei unterschiedliche Vorstellungen aufeinanderprallten. Seine und die von Ms. Morley. Er war, aus was für Gründen auch immer, bereit,
für den Sex zu bezahlen - und sie glaubte, aus was für Gründen auch immer, sie könnte das Geld ohne die vereinbarte Gegenleistung einstecken. Sie meinte wohl, ihn gut genug zu kennen, um zu wissen, dass er sein Recht als Freier nicht fordern würde.«
»Ist das richtig so, Charles?«
»Ziemlich, ja.«
»Wie kam sie auf die Idee, sie könnte damit durchkommen?«
»Sie dachte, sie kennt mich.«
Das Stirnrunzeln des Superintendent vertiefte sich. »Was suchten Sie eigentlich an dem Tag in ihrer Wohnung? Waren Sie nur als Freier gekommen?«
»Nein. Ich wollte vor meiner Abreise in den Irak meine Sachen abholen. Sie hätte gar nicht zu Hause sein sollen. Ich hatte noch den Schlüssel.«
»Sie hat ihr Wort also zweimal gebrochen?«
»Dreimal. Es war nichts mehr zum Abholen da. Sie hatte das meiste vernichtet.«
»Und das machte Sie wütend?«
»Alles an ihr machte mich wütend. Ich hasste sie - sie widerte mich an.« Acland sprach mit echtem Abscheu. »Ich wollte sie nicht einmal mehr anfassen. Und schon gar nicht wollte ich, dass sie mich anfasst.«
Jones fand den Widerspruch hinter dieser Aussage weniger verwirrend als manches andere, was Acland gesagt hatte. Die Grenze, die Liebe und Hass trennte, war schmal. »Also beschlossen Sie, sie zu bestrafen - und bezahlten für das Recht, die Strafe zu vollziehen.«
»Ich wollte nur, dass sie mal am eigenen Leib erfährt, wie es ist, wie eine Laborratte behandelt zu werden.«
»Was heißt das?«
»Drückt man auf den richtigen Knopf, gibt’s eine Belohnung - drückt man auf den falschen, gibt’s was mit dem Elektroschocker.«
Jackson bückte sich, um den Matchbeutel herauszuziehen. Er war weicher, als er aussah, nicht aus Segeltuch, sondern aus Hanf, und der Inhalt war schwerer als erwartet. Wenn es eine Flasche war, so war sie voll. Sie knüpfte die Zugschnur auf und zog die Öffnung weit auseinander. Eine Plastiktüte kam zum Vorschein, die lose um einen starren Gegenstand von etwa dreißig Zentimetern Länge geschlagen war. Sie lehnte den Gegenstand samt dem Beutel aufrecht gegen den Rücken des Fahrersitzes, um verspäteter Vorsicht folgend ein Paar Einweghandschuhe aus ihrer Tasche zu nehmen, aber als sie den Beutel oben losließ, rutschte der Stoff abwärts und fiel in einem Häufchen über einigen weiteren Gegenständen zusammen, die sich auf dem Grund des Beutels befanden und von denen mindestens einer zu sehen war.
Auf den ersten Blick glaubte sie, es wäre ein Handy, dann bemerkte sie die beiden Metallstreifen am oberen Ende und erkannte, dass sie einen Elektroschocker vor sich hatte.
Beale wusste instinktiv, dass sein Chef den falschen Weg einschlug, als er Acland fragte, wie Jen Morley ihn belohnt habe. Aclands Anspannung löste sich ein wenig, als der Superintendent sich auf die Idee versteifte, Sex als Währung in der Beziehung zu sehen. »Beruhte es immer auf Gegenleistung? Hat Jen Morley nur mit Ihnen geschlafen, wenn Sie sich ihren Wünschen entsprechend verhalten haben?«
»Mehr oder weniger.«
»Die meisten Männer würden das erniedrigend finden.« Er musterte Acland einen Moment aufmerksam. »Umso mehr, wenn sie erst high sein musste, um wenigstens so zu tun, als ob.«
Keine Reaktion.
»Wir haben sie vorhin vor dem Pub gesehen. Ein Freier wartete in einem Taxi auf sie. Wir vermuten, sie kam gerade von ihrem Dealer.« Jones lächelte scheinbar verständnisvoll. »Wie soll
man am Sex noch irgendetwas spannend finden, wenn es einzig darum geht, auf die Weise Geld für die Drogen zu beschaffen, Charles? Sie hätten sich Jen Morleys fehlenden Enthusiasmus nicht zu
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