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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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fühlt sich mitschuldig. Nick Beale erzählte, dass jedem
dieser Morde ein Streit zwischen Charles und Jen vorausging. Das wäre für die meisten Menschen eine schwere Gewissensqual.«
    »Soll er mir jetzt leidtun?«
    Jackson zuckte mit den Schultern. »Sie sollten wenigstens anerkennen, dass das alles für ihn nicht leicht ist.«
    »Ich wollte, ich könnte so großmütig sein«, sagte Jones aufrichtig, »aber ich brauche Charles’ Aussage. Ich möchte wissen, warum er sich den Beutel unbedingt holen wollte, wenn er, wie er behauptet, keine Ahnung hatte, was er enthielt oder wem er gehörte.« Er sah Jackson mit einem mitleidigen Lächeln an. »Er wusste schon vor gestern Abend, was der Beutel enthielt, Doktor.«
    Sie sagte nichts.
    »Jen Morley wird alle Schuld auf Charles schieben, wenn das irgend geht. Sie ist durchaus fähig, sich als das arme missbrauchte Opfer hinzustellen. Darüber muss er sich im Klaren sein.«
    Jackson seufzte. »Versuchen Sie mal Narzissmus mit einer zunehmenden, durch Kokain noch geförderten Aggressivität zu paaren. Das ergibt eine hochexplosive Mischung. Eine Frau, die ständige Aufmerksamkeit verlangt, sich dauernd in Phantasien versteigt, was für ein besonderer Mensch sie ist, und auch noch an einem Grandiositätswahn leidet, die würde auf Zurückweisung - nicht nur von Charles - ziemlich übel reagieren.«
    James Steele, der Fallanalytiker, hatte einige Zeit zuvor am Telefon so ziemlich die gleiche Meinung abgegeben.
    »Ich kann Sie besser beraten, wenn ich sie eine Weile beobachtet habe, Brian. Aber offensichtlich ist sie davon überzeugt, dass sie sich benehmen kann, wie sie will. Ich fand ihre Reaktion auf Ihre Kollegin interessant. Dass sie den Elektroschocker nicht ausgeschaltet hatte und versuchte, der Frau ins Gesicht zu schlagen, lässt auf eine Geringschätzung anderer schließen, die nicht normal ist.«

    Jones sah Jackson an. »Haben Sie Ms. Morley gesehen?«, fragte er.
    »Nein.«
    Er beugte sich vor, um den Bildschirm wieder einzuschalten. »Sie wartet auf ihren Anwalt«, erklärte er. »Als könnte sie kein Wässerchen trüben, nicht wahr?«
    Jackson musterte das zarte Gesicht mit dem großäugigen Blick und dem leicht verwunderten Lächeln. »Nur weil sie ein Kindchengesicht hat«, stellte sie sachlich fest. »Große Augen sprechen den Beschützerinstinkt an, darum finden wir Frauen wie sie schön. Es gibt massig Literatur zu diesem Thema.«
    »Sie finden sie nicht attraktiv?«
    »Nicht besonders«, antwortete Jackson aufrichtig. »Sie ist ja spindeldürr. Ich hätte Angst, ihr was abzubrechen.« Sie hielt inne und beobachtete Jen Morley, die mit einer Hand glättend über ihren Rock strich. »Ist sie allein da drinnen?«
    »An der Tür steht eine Beamtin.«
    »Aber sie weiß, dass sie gefilmt wird?«
    Jones nickte. »Sie ist schon auf eine Beamtin losgegangen, daraufhin wurde ihr gesagt, sie würde per Bildschirm überwacht. Seither benimmt sie sich tadellos.«
    »Wie sieht sie aus, wenn sie aus der Haut fährt?«
    »Nicht viel anders, wenn man Nick glauben kann. Es gibt keine offenkundigen Signale, die einen warnen könnten, dass sie gleich durchdreht.« Er schaltete den Schirm wieder aus. »Deshalb brauchen wir Charles’ Aussage, Doktor. Wenn wir wissen, was ihre Wutanfälle auslöst, kommen wir vielleicht einen Schritt weiter.«
    »Sie meinen, ich soll ihm gut zureden?«
    »Auf Sie hört er.«
    »Das bezweifle ich«, widersprach Jackson. »Als wir das letzte Mal auf das Thema Jen Morley zu sprechen kamen, hat er mich gegen den nächsten Pfosten gefahren.«

30
    Acland hockte immer noch in der gleichen Haltung wie vorher auf dem Bett. Er starrte an die Wand gegenüber, vom Kommen und Gehen auf den Gängen allem Anschein nach unberührt. Jackson beobachtete ihn ein, zwei Sekunden. Er besaß eine Fähigkeit zur Stille, die ganz außergewöhnlich war, dachte sie.
    »Wurden Sie mit Geduld geboren, oder hat man sie Ihnen beim Militär beigebracht?«, fragte sie.
    Er sah sie an. »Das habe ich als Kind gelernt. Es hatte wenig Sinn, mich darüber aufzuregen, dass ich allein in meinem Zimmer saß. Es änderte ja sowieso nichts. Jetzt habe ich sie quasi verinnerlicht.«
    »Wussten Sie, dass das an der Tür ich war?«
    Er nickte. »Ich hatte Sie am Schritt erkannt.«
    Sie trat in die Zelle. »Hat man Ihnen gesagt, dass Jen festgenommen wurde?«
    Er nickte wieder.
    »Sie möchten sie möglichst bald vernehmen.« Jackson wies zum Ende des Betts. »Darf ich?« Sie nahm sein

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