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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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aussieht. Charles’ Beruf konnte einer Frau wie ihr, die ständige Aufmerksamkeit brauchte, nicht passen. Ich bin überzeugt, sie hat ihn in Birmingham besucht, um ihm zu beweisen, dass er ohne sie nicht leben kann. Sie muss das selbst geglaubt haben, sonst wäre sie nicht hingefahren. Sie hat ganz sicher nicht erwartet, dass ihr Hass entgegenschlagen würde.«
    »Aber sein Hass war doch offensichtlich, als er sie vergewaltigte«, meinte Jones.
    »Das mögen Sie und ich glauben, aber Jen hat das meiner Ansicht nach nicht geglaubt. Es war ein sexueller Akt, und das ist ein Gebiet, auf dem sie sich gut auskennt. Versetzen Sie sich in sie hinein. Sie ist schön und begehrenswert, und Charles hat ihr gezeigt, dass er sie immer noch begehrt. Sonst hätte er keine Erektion bekommen.«
    »Er sagte, dass er dafür bezahlt hat.«
    »Das macht sie nicht weniger begehrenswert. Es gibt sicher Männer, die viel mehr dafür bezahlt haben, mit ihr schlafen zu dürfen.«
    »Aber nicht in letzter Zeit«, bemerkte Beale. »Wir haben nur eine Agentur gefunden, die sie auf ihrer Website führt, und die haben seit Wochen keine Anfragen nach ihr mehr bekommen. Manche Dinge sprechen sich offenbar herum, und bei den Freiern hat sie einen schlechten Ruf. Sie macht lange Finger und ist nicht fügsam genug.«
    Jackson runzelte die Stirn. »Charles hat erzählt, er hätte sie mit einem Japaner gesehen.«
    »Haben wir auch, ja - war wahrscheinlich derselbe. Aber da handelt es sich beinahe mit Sicherheit um ein privates Arrangement mit einem Freier, der sie schon kennt. Wir vermuten, dass
sie im Moment die meisten ihrer Aufträge auf diesem Weg bekommt. Ihr Drogendealer sagte, im letzten halben Jahr sei sie knapp bei Kasse gewesen.«
    »Dann hat Charles vielleicht doch recht. Er meint, sie habe ihn nur aus einem einzigen Grund im Krankenhaus besucht: weil sie auf seine Invalidenentschädigung scharf war.«
    »Und glauben Sie das nicht?«, fragte Jones.
    »Ich hätte es vielleicht geglaubt, wenn sie weinend und in Sack und Asche angekommen und um eine zweite Chance gebettelt hätte. Aber sie kam als ihr eigener Lieblingstraum, ging sogar so weit, das gleiche Kostüm zu tragen wie an dem Tag, als sie ihn mit dem Elektroschocker drangsaliert hatte.« Jackson lächelte mitleidig. »Und die knobkerrie war nicht einmal Charles’ schlimmste Folter. Sie hat ihm fast die ganze Zeit ein Brotmesser an den Penis gehalten und gedroht, ihn zu kastrieren.«
    »Weiter.«
    »Ich kann das nur so verstehen, dass Jen glaubte, Charles wäre von ihrem Domina-Akt so erregt wie sie.«
    Jones lächelte zynisch. »Da gehört aber viel Phantasie dazu.«
    »Ich sage nicht, dass das etwas mit Rationalität zu tun hat, Superintendent. Ich sage, dass eine ungeheuer egozentrische Frau so gedacht haben könnte.«
    »Aber Dr. Campbell zufolge hat Jen Morley zu Charles’ Psychiater in Birmingham gesagt, sie hoffe, die Amnesie habe ihn das Ende der Beziehung vergessen lassen. Sie schickte ihm eine ganze Reihe Liebesbriefe, in keinem wurde die Vergewaltigung erwähnt, geschweige denn die Kastrationsdrohung.«
    »Aber er hat sie nicht gelesen und folglich auch nicht beantwortet.«
    »Und?«
    Jackson zuckte wieder mit den Schultern. »Was würden Sie an Jens Stelle daraus schließen?«
    »Dass ihre Briefe Charles nicht erreichten?«
    Jackson nickte. »Und was entnehmen Sie der Tatsache, dass
der Inhalt beschönigt war und nur die guten Zeiten erwähnt wurden?«
    »Dass sie hoffte, den Rest hätte er vergessen?«
    »Oder sie hatte Angst, eine Schwester müsste ihm die Briefe vorlesen. Sie wusste ja nicht, wie schwer verwundet er war.« Sie hielt inne. »Die interessantere Frage ist, wieso Charles bereit war, die Briefe ungeöffnet dem Psychiater zu überlassen, wo er doch sonst so unzugänglich war, wenn er über seine Beziehung zu Jen reden sollte.«
    »Weiter.«
    »Er wusste, dass Jen das tun würde, was seine Eltern sein Leben lang getan haben - alles unter den Teppich kehren. Ihm ist das das Liebste. Er weiß nur auf eine Art, mit Schmerz umzugehen: ihn in sich hineinzufressen.« Sie seufzte. »Er hat von Anfang an gesagt, Sie wollten ihn fertigmachen - und genau das werden Sie tun, wenn Sie ihn zwingen, vor Gericht zu erscheinen, um der Anklage als Zeuge zu dienen. Er wird nicht damit fertig werden, wenn das alles an die Öffentlichkeit gezerrt wird.«
    »Sie unterschätzen ihn, Doktor«, widersprach Jones. »Wenn ich in den letzten Tagen irgendetwas über den Lieutenant

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