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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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nicht die Intimität mit Charles gesucht hätten. Das lässt vermuten, dass Sie beide diese Phantasien teilten - zumindest Ihrer Meinung nach.«
    »Das ist ja ekelhaft«, sagte sie mit plötzlich hervorbrechendem Ärger.
    »Dann ist mir das Ganze rätselhaft, Ms. Morley. Was war denn nun der Zweck der heutigen Übung? Was wollten Sie erreichen?«
    Die Frage schien sie zu beunruhigen, denn sie kramte die Sachen in ihrer Tasche durch, während sie sich eine Antwort überlegte.
»Was Sie vorher schon gesagt haben... Ich wollte ihn an schönere Zeiten erinnern. Ihm hat es früher gefallen, wenn ich angestarrt wurde und die Leute mich für Uma Thurman hielten.«
    Willis runzelte die Stirn. »Sagten Sie nicht, er sei eifersüchtig gewesen? Sie sprachen von einem Wachhund, der nach jedem schnappte, der Ihnen nahe kam.«
    Mit wachsendem Unmut sah sie ihn an. »Aber gleichzeitig hat es ihn total angetörnt. Er fand es toll, von anderen Männern beneidet zu werden.«
    »Das kann ich mir schon vorstellen«, meinte er freundlich. »So ein Nebeneinander widersprüchlicher Gefühle ist nichts Ungewöhnliches. Ist es Ihnen auch so ergangen? Er war ja vor seiner Verwundung ein gutaussehender Mann.«
    »Soll das heißen, ob ich zur Eifersucht neige? Nein, das hatte ich nie nötig«, erklärte sie von oben herab. »Die Männer haben mehr Angst, mich zu verlieren, als ich Angst habe, sie zu verlieren, Dr. Willis. Das klingt vielleicht angeberisch, aber es ist wahr.«
    »Das bezweifle ich nicht. Sie hatten offensichtlich weit mehr Beziehungen als Charles.«
    »Und?«
    »Sie scheinen nicht sehr lange zu halten. Sind immer Sie diejenige, die sie beendet?«
    »Der Mann wird es ja wohl kaum sein.«
    Willis lächelte. »Ich weiß nicht, Ms. Morley«, sagte er aufrichtig. »Es fällt mir schwer zu verstehen, warum Charles so gar nicht an einer Versöhnung interessiert ist, wenn Sie die Verlobung gelöst haben. Meiner Erfahrung nach versucht im Allgemeinen der Teil, der den Bruch nicht wollte, die Beziehung wiederherzustellen - während der andere, von dem die Trennung ausging, die Sache abhakt.«
    »Charlie hat aber nichts abgehakt. Sonst hätte er nichts gegen Besuche und Anrufe.«

    Diesmal war Willis’ zustimmendes Nicken echt. Was auch diese beiden verbunden hatte, es hatte immer noch eine starke Wirkung. Dennoch ... »Er lehnt es ab, von Ihnen zu sprechen, Ihre Briefe zu lesen - hält vielmehr unnachgiebig an seinem Entschluss fest, den Schlussstrich unter die Beziehung zu setzen. Warum sollte er das tun, wenn Sie für ihn nicht Vergangenheit wären?«
    Er hatte sie endlich so weit gereizt, dass sie ihren Ärger offen zeigte. »Weil er sich schämt «, behauptete sie zähneknirschend. »Und falls Sie wissen wollen, warum - was wahrscheinlich nicht der Fall ist, da Sie ja auf seiner Seite sind -, weil er mich vergewaltigt hat. Anal . Ich wette, das ist bei Ihren teilnahmsvollen Gesprächen mit ihm nicht zur Sprache gekommen.«
    »Nein«, bestätigte Willis sachlich, »aber nach Ihrer E-Mail dachte ich mir so etwas. Sie schrieben von Gewalt.« Er hätte hinzufügen können, dass auch Charles’ Verhalten, wenn die Sprache auf Jen Morley kam, auf Scham hinwies.
    »Er hat sich benommen wie ein Tier«, sagte sie mit demonstrativem Schaudern. »Ich hatte nie in meinem Leben solche Angst.«
    »Das wundert mich nicht. Eine Vergewaltigung ist immer entsetzlich und beängstigend.« Willis ließ einen Moment der Stille verstreichen. »Meinen Sie nicht, Sie hätten sich diesen heutigen Besuch, ganz allein, gründlicher überlegen sollen?«
    Sie zögerte die Antwort hinaus, indem sie sich schnäuzte. Allzu heftig. Als sie das Papiertuch wegnahm, war ein kleiner Blutfleck auf ihrer Oberlippe. »Er hat vorher noch nie versucht, mich zu erwürgen... und ich habe ihn auch noch nie so erlebt - als würde es ihn antörnen, mir wehzutun.« Sie kniff die Augen zusammen. »Und falls Sie jetzt fragen wollen, ob es ihn angetörnt hat, mich zu vergewaltigen«, fuhr sie aggressiv fort, »kann ich darauf nur antworten, dass ich keine Ahnung habe. Ich habe sein Gesicht nicht gesehen. Und als er genug hatte, hat er mich zu Boden gestoßen und ist einfach abgehauen.«

    »Und danach haben Sie ihn bis heute nicht mehr gesehen?«
    »Richtig.« Eilig kam sie auf seine ursprüngliche Frage zurück. »Und ich hatte deshalb keine Angst, allein herzukommen, weil wir uns hier in einem Krankenhaus befinden, Dr. Willis.« Sie lachte zornig. »Ich dachte, hier könnte ich mit

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