Der Schatten des Chamaeleons
Mittwochmorgen von seiner Zugehfrau gefunden, Atkins war jedoch den Obduktionsbefunden zufolge zu diesem Zeitpunkt bereits seit mindestens vier Tagen tot.
Superintendent Brian Jones, der auch in den Fällen Harry Peel und Martin Britton die Ermittlungen leitet, bestätigte, dass es auffallende Ähnlichkeiten zwischen den drei Morden gebe. »Alle drei Männer lebten allein und wurden in ihren Betten tot aufgefunden«, erklärte er. »Der Täter war in allen drei Fällen äußerst gewalttätig vorgegangen, Spuren gewaltsamen Eindringens in die Wohnungen gibt es allerdings nicht. Wir vermuten, dass die Opfer ihren Mörder kannten.«
Er lehnte es ab, sich zu den Militärakten der Männer zu äußern. Harry Peel war von seinem 18. Lebensjahr an fünf Jahre bei einem Infanterieregiment. Martin Britton, ein hochrangiger Beamter am Verteidigungsministerium, wurde im Rahmen seiner Wehrpflicht zum Royal Army Pay Corps eingezogen. Kevin Atkins diente 15 Jahre bei der Armee und nahm als Corporal des Fallschirmjägerregiments 1982 am Falkland-Krieg teil. Er schied 1983 aus dem Militär aus.
Superintendent Brian Jones war nicht bereit, Gerüchte zu bestätigen, denen zufolge Harry Peel und Kevin Atkins wegen homosexueller Handlungen aus dem Militär ausscheiden mussten. Er wollte auch nichts dazu sagen, ob in Verbindung mit den Morden ein Stricher gesucht wird. »Wir wollen uns diesbezüglich nicht festlegen.«
Er bat alle Personen, die über Informationen verfügen, um dringende Mithilfe. »Wir haben es hier mit einem äußerst gefährlichen Kriminellen zu tun.«
Die Polizei begrüßt die Hilfsbemühungen der Schwulengemeinde, die immer wieder auf die Gefahren von Gelegenheitssex mit Fremden hinweist. »Die meisten von uns glauben sich zu Hause sicher«, sagte ein Sprecher, »aber das ist ein Trugschluss. Zu Hause vergessen wir die Vorsicht und machen uns angreifbar.«
DR. ROBERT WILLIS
PSYCHIATER
Auszüge aus den Aufzeichnungen über Lieutenant
Charles Acland
April 2007
... Widersprüchliche Berichte über Charles’ Aufenthalt in London. Susan Campbell zufolge ist er am Samstagabend verschwunden, nachdem eine junge Frau, die ebenfalls bei ihr wohnt, versucht hatte, sich ihm freundschaftlich zu nähern. Danach mied er die junge Frau und zog sich in sein Schneckenhaus zurück. Susan schließt daraus, dass er Angst bekommt, wenn andere ihm zu nahe kommen. Körperliche Berührung und Nähe scheinen ihm große Probleme zu bereiten.
... Charles hat die junge Frau nicht erwähnt, beschreibt jedoch den Aufenthalt als »schwierig« und macht dafür Susan verantwortlich. Ihre Freundlichkeit [er spricht von »Glucken« und »Bevormundung«] sei »erdrückend«, er habe sich bemüht, ihr möglichst aus dem Weg zu gehen. Beide berichten übereinstimmend, dass er jeden Abend laufen gegangen ist, manchmal Stunden.
... Ich habe Charles gefragt, was er vorhat, wenn die Armee seinen Antrag, in den aktiven Dienst zurückzukehren, ablehnt. Er sagte, das werde nicht passieren. Alternativpläne hat er nicht. Er wehrt jede Diskussion über dieses Thema ab, seit ich andeutete, dass ihm am Ende vielleicht nur die Rückkehr auf den Hof seiner Eltern bleibe.
... Susan ist der Überzeugung, dass sein Selbstbewusstsein durch seine Zukunftsängste ebenso stark beeinträchtigt wird wie durch sein entstelltes Aussehen. Vielleicht sogar noch stärker. Sie meint, dass Charles sich schon so lange als Soldat sieht - schon in der Schule war es sein erklärtes Ziel, Soldat zu werden -, dass er sich gar nicht mehr als etwas anderes sehen kann. Susan vertritt die - ausgesprochen pessimistische - Ansicht, dass Charles sich
noch stärker abkapseln wird, wenn er beim Militär abgelehnt wird.
... Ihrer Meinung nach hat er mit tiefgreifenden Problemen zu kämpfen, die sich nicht einfach mit seiner Verwundung oder Sorgen über seine berufliche Zukunft erklären lassen. [Frage: Sexuelle Orientierung? Auch Susans Frage.]
... Jeder Versuch, mit ihm über Jen Morley zu sprechen, macht ihn aggressiv. Er sagt, er wolle sie vergessen, und das sei nicht möglich, wenn ich ihn immer wieder an sie erinnere. Als ich die mutmaßliche Vergewaltigung erwähnte, meinte er nur, für die Rolle von Jens Vergewaltiger gäbe es jede Menge Kandidaten. Für sie sei es wichtig, dass die Männer sich um sie reißen...
Metropolitan Police
Interne Aktennotiz
Sir,
in Beantwortung Ihrer Frage, ob ein Einzeltäter wahrscheinlich ist, anbei die
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