Der Schatten des Chamaeleons
ihm reden, ohne etwas fürchten zu müssen. Ich habe erwartet, dass er mit anderen Patienten in einem Zimmer liegt - oder dass wenigstens ein paar Ärzte und Schwestern da sind.«
»Hm.« Willis nahm sich wieder seine Brille vor, hauchte auf die Gläser und polierte sie mit seinem Taschentuch. »Dann ist es umso verwunderlicher, dass Sie auch noch mit seinen Uma-Thurman-Phantasien gespielt haben - und nicht gleich gegangen sind, als er Sie darum bat.«
Das Getue mit der Brille begann ihr offensichtlich auf die Nerven zu fallen. »Mit einer Anzeige hätte ich dafür sorgen können, dass er aus seinem Regiment fliegt - kann ich wahrscheinlich jetzt immer noch. Für Vergewaltigung hat die Armee genauso wenig Verständnis wie der Rest der Gesellschaft. Was glauben Sie wohl, wie die Polizei reagieren wird, wenn ich sage, dass er es heute wieder versucht hat?«
»Ich vermute, man würde wissen wollen, was Sie bewogen hat, überhaupt hierherzukommen - warum Sie die Vergewaltigung damals nicht angezeigt haben -, oder warum Sie dem Sicherheitspersonal des Krankenhauses erklärt haben, Sie wollten keine Polizei.« Er schüttelte den Kopf über ihren Gesichtsausdruck. »Sie machen sich etwas vor, Ms. Morley, wenn Sie glauben, Sie könnten hier das Opfer geben. Die Polizei wird so schnell wie ich merken, dass in dieser Beziehung Sie diejenige waren, die den Sex zur Manipulation benutzt hat. Da wird dann der Vorwurf der Vergewaltigung eher unhaltbar - vor allem, wenn Sie damit allein stehen und keine Zeugen haben.«
Ihr Blick wurde stählern. »Dann hoffen Sie mal, dass ich Sie nicht bei Ihrem Berufsverband anzeige. Ich wette, die Leute dort würden es gar nicht gern hören, dass einer ihrer Kollegen bereit
ist, bei Gewalt gegen Frauen ein Auge zuzudrücken, nur weil der Vergewaltiger sein Patient ist.«
»Da haben Sie zweifellos recht«, stimmte Willis ruhig zu. »Aber wenn Sie mir, nur weil ich auf die Schwachstellen Ihrer Geschichte hinweise, vorwerfen wollen, ich duldete Gewalt gegen Frauen, so ist das doch sehr weit hergeholt. Ich fände Ihre Behauptung glaubhafter, wenn Sie sagten, dass Sie vorhin auf ziemlich plumpe Weise versucht haben, Charles zu verführen. Er ist ein empfindlicher Mensch und leidet unter seinem Aussehen, und vermutlich würde er jeden derartigen Versuch als erniedrigend betrachten. Unter diesen Umständen kann ich mir sehr wohl vorstellen, dass er sich gegen Sie wenden würde. Ähnlich wie heute eben.«
»Sie waren nicht dabei. Sie haben ja überhaupt keine Ahnung.«
Willis setzte die Brille wieder auf. »Immerhin liegt auf der Hand, dass Sie mit einer bestimmten Absicht in dieser Aufmachung gekommen sind, vielleicht um angenehme Erinnerungen auszulösen, und allem Anschein nach das Gegenteil von dem erreicht haben, was Sie wollten. Bei Charles ruft Ihr Uma-Thurman-Image nur negative Assoziationen hervor. Möchten Sie mir sagen, wie das kommt?«
»Nein.« Sie stand unvermittelt auf, ihre Tasche an die Brust gedrückt. »Es ist spät. Ich muss gehen.«
»Dann bringe ich Sie zum Taxistand. Wir können eine Abkürzung durch den Personalausgang nehmen.«
»Ich brauche keine Begleitung«, sagte sie. »Ich möchte zur Toilette. Ich nehme den Hauptausgang.«
Willis, der ebenfalls aufgestanden war, schüttelte den Kopf. »Ich bedaure, aber ich kann Sie nicht allein gehen lassen. Wenn Sie unbedingt noch zur Toilette wollen, muss ich eine Angestellte des Sicherheitsdiensts rufen, damit die Sie begleitet.«
Jen Morley sah aus, als könnte sie ihn auf der Stelle umbringen. »Warum?«
»Krankenhausvorschrift«, antwortete Willis entschuldigend. »Wir können Drogenmissbrauch in der Klinik nicht dulden. Was Sie anderswo tun, müssen Sie mit Ihrem Gewissen abmachen - aber ich an Ihrer Stelle würde mich etwas zurückhalten.«
Sie schwang ihre Tasche nach ihm und wurde ein wenig aus dem Gleichgewicht gerissen, als sie ihn verfehlte.
Er musterte sie amüsiert. »Ich bin nur der Bote, Ms. Morley. Bringen Sie mich nicht gleich um, nur weil Ihnen die Botschaft nicht gefällt.«
»Lecken Sie mich doch«, sagte sie mit Engelsmund.
Drittes Mordopfer: Erneut Mann brutal erschlagen
Nach dem Tod des 58-jährigen Bauunternehmers Kevin Atkins aus Süd-London bestätigte die Polizei eine mögliche Verbindung zu den Morden an Harry Peel, 57, und Martin Britton, 71. Mr. Atkins wurden von einem »blindwütigen Täter«, wie die Polizei es formulierte, tödliche Kopfverletzungen beigebracht. Seine Leiche wurde am
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