Der Schatten des Chamaeleons
sagte er, nahm sich den anderen Stuhl und setzte sich. »Hat Ihnen jemand ausgerichtet, dass es etwas länger dauert?«
»Nein.«
Jones schüttelte scheinbar bekümmert den Kopf. »Meine Schuld. Ich hätte klarere Anweisungen geben - oder schneller herkommen müssen. Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee oder etwas zu essen?«
»Nein, danke.«
Jones zog sein Jackett aus und warf es über die Stuhllehne hinter sich.
»Wie soll ich Sie ansprechen?«, fragte er. »Charles oder Lieutenant Acland?«
»Ganz wie Sie wollen. Sie sind der Polizist.«
Jones lächelte. »Ich kann es Ihnen nicht verdenken, dass Sie verärgert sind, Charles. Der zuständige Beamte hat mir gesagt, dass Sie seit mehr als fünf Stunden in diesem Zimmer hocken. Keiner könnte es Ihnen verübeln, wenn Sie deswegen einen Riesenkrawall machen würden.«
Acland musterte ihn argwöhnisch. Aus irgendeinem Grund - vielleicht weil sie nicht zur Erscheinung des Mannes passte, der etwas von einem Rottweiler hatte - traute er Jones’ gutmütigem Gehabe nicht. »Hätte es mir denn genützt?«
»Es wäre Ihnen auch nicht negativ ausgelegt worden. Wir kennen das: Darauf reagieren die Leute äußerst gereizt - vor allem diejenigen, die sich nichts vorzuwerfen haben.« Er fixierte den jungen Mann einen Moment lang. »Ein Mann mit unerschöpflicher Geduld ist eine Seltenheit. Vielleicht wissen Sie ja mehr, als Sie bisher zugegeben haben. Schießen Sie einfach los. Sagen Sie uns, was Sie wissen - oder was Sie vermuten.«
Acland beugte sich vor und tippte mit dem Finger auf das Foto von Walter Tutting. »Dieser Mann wurde heute ins Krankenhaus gebracht, nachdem er auf der Straße zusammengebrochen war. Ich vermute mal, dass jemand nachgeholfen hat, sonst hätten Ihre Leute nicht die Straße abgesperrt.« Er schöpfte Atem. »Für Sie steht fest, dass ich etwas mit der Sache zu tun habe - entweder weil ich mich heute Morgen vor der Bank mit dem Mann angelegt habe oder wegen der Schlägerei gestern Abend im Bell . Wahrscheinlich spielt beides eine Rolle. Dann haben sie mich mit Hilfe von Jackson, Daisy und Susan Campbell festgenommen und mich in Handschellen hierhergebracht, um mich ins Verhör zu nehmen.«
»Fahren Sie fort.«
»Das ist alles - eine Kombination aus dem, was man mir gesagt hat, und dem, was ich vermute.«
»Wenn Sie der Ansicht sind, dass wir gegen Sie ermitteln, warum haben Sie dann keinen Anwalt verlangt?«
»Das hätte doch bei Ihnen nur noch mehr Verdacht erregt.«
»Nein, das ist Quatsch, Charles.«
»O doch. Genauso läuft das. Deshalb habe ich Ihnen auch in meiner Wohnung und mit meinen Sachen freie Hand gelassen. Um zu beweisen, dass mir nichts zur Last zu legen ist.«
Es verwunderte Jones nicht, dass Susan Campbell Acland für vernehmungsfähig erklärt hatte. Auf ihn passte das Bild des Täters, der sich mit den Untersuchungsmethoden der Polizei auskannte. »Ich bewundere Ihr Vertrauen.«
»Zu mir selbst oder zur Polizei?«
»Beides.«
Acland schüttelte den Kopf. »Ich habe kein Vertrauen zur Polizei. Der Inspector sagte, man wolle mich als Zeugen vernehmen - aber er hat gelogen. Ich wurde als Verdächtiger festgenommen und hierhergebracht.«
Jones faltete die Hände auf dem Tisch. »Möchten Sie sich beschweren?«
»Nur wenn Sie mir jetzt erzählen, dass Sie in meinem Seesack oder meiner Wohnung etwas Belastendes gefunden haben. Denn dann wäre uns ja wohl beiden klar, wie es dahin gekommen ist.«
»Wollen Sie behaupten, ich oder einer meiner Leute würde Beweismittel fälschen?«
»Wenn ich danach gehe, wie ich bisher von Ihnen behandelt wurde - ja.«
Jones lächelte dünn. »Sie sind wirklich hellwach für jemanden, der gestern Abend eine so schwere Migräne hatte, dass er von einem Arzt behandelt werden musste. Machen Sie Handstandstützen, um einen klaren Kopf zu bekommen?«
»Wenn ja, dann ist das allein meine Sache. Und ich mag es nicht, wenn man mich filmt. Wir leben hier in einem freien Land, nicht in einem Polizeistaat.«
»Tut mir leid, dass Sie uns nicht mögen. Ich weiß, wir machen uns mit unserer Arbeit mehr Feinde als Freunde, aber irgendjemand muss ja den Kopf hinhalten. Ähnlich wie die Soldaten, nicht wahr?«
Acland ließ den Hieb an sich abprallen. »Ich mag unsere Gesellschaft insgesamt nicht. Sie sind nur eines ihrer Gesichter.«
»Sind Sie früher schon einmal festgenommen worden?«
»Nein.«
»Sie mögen auch Moslems nicht, wie ich höre - und alte Männer ebenso wenig.« Jones griff
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