Der Schatten des Chamaeleons
als mit einem Auge Acland zu beobachten und mit dem anderen den Fernseher.«
»Ist sie scharf auf ihn?«
»Nicht mehr. Sie sagte, er wäre richtig ekelhaft geworden, als sie versuchte, sich mit ihm bekanntzumachen. Sie nimmt ihm das immer noch unheimlich übel. Ich vermute, sie wollte sich an ihn ranmachen, und er hat sie abblitzen lassen. Sie nannte ihn mehrmals einen ›verkappten Schwulen‹.« Er hielt inne. »Ich weiß nicht, ob wir das allzu ernst nehmen sollten, aber sie hält ihn für den Schwulenkiller. Sie behauptete, er sei ein total kranker Typ. Rennt fast jeden Tag kilometerweit und schreit nachts im Schlaf.«
Jones warf einen Blick auf den Bildschirm. Acland saß wieder auf seinem Stuhl und starrte unverwandt auf die Wand gegenüber. »Vielleicht sind wir auf dem Holzweg«, sagte er langsam. »Vielleicht hat der Überfall auf Tutting gar nichts mit unserer Mordserie zu tun.«
11
Obwohl Sharon Carter die Aussage von Acland bestätigte, hatte die Polizei es nicht eilig, ihn wieder auf freien Fuß zu setzen. Es dauerte noch mehrere Stunden, bevor man ihm seine Kleidungsstücke und den Seesack zurückgab. In dieser Zeit, die er größtenteils in schweigender Betrachtung seiner Hände zubrachte, gab er knappste Auskünfte über seinen Militärdienst, lehnte es ab, einen Anwalt hinzuzuziehen, und erklärte sich mit einer Durchsuchung seiner Wohnung und des dazugehörigen Gartens einverstanden.
Seine Kleider wurden genauestens nach Blutflecken untersucht, in seiner Wohnung wurde das Unterste zuoberst gekehrt und im Garten die Asche des Feuers eingesammelt, um gründlich durchgesiebt zu werden. Sharon »Kitten« Carter wurde nochmals befragt und wiederholte ihre giftigen Bemerkungen über den »total kranken Typen«, während der alte Mann nebenan die Zeiten bestätigte und seinerseits mit einigen giftigen Bemerkungen über die Dame aufwartete.
Vorübergehend gab es ein wenig Aufregung, als die Gerichtsmedizin meldete, dass am rechten Ärmel von Aclands Jacke, an der Manschette des rechten Hemdsärmels und auf Kniehöhe an seinen Hosenbeinen ausgewaschene Blutspritzer festgestellt worden waren, aber Nick Beale, der ein kurzes Gespräch mit Jackson geführt hatte, sorgte gleich wieder für Entwarnung.
Er legte eine grobe Skizze von einem Mann vor, auf der die einzelnen
Kleidungsstücke wie folgt gekennzeichnet waren - braune Lederjacke, graue Baumwollhose, weißes Baumwollhemd, Caterpillar-Schnürstiefel. Der Jackenärmel, die Manschette des Hemdsärmels und die Knie der Hosenbeine waren durch Pfeile mit der Beschriftung Raschid Mansurs Blut gekennzeichnet.
»Die beschriebenen Kleidungsstücke trug Acland bei seiner Festnahme«, erklärte Beale, »und Dr. Jackson meinte, wir brauchten mit den gekennzeichneten Stellen keine Zeit zu verschwenden. Sie und Acland hätten bei der Schlägerei im Pub Blut abbekommen, weil Mansur Nasenbluten hatte. Sie hat Aclands Hemd und Hose gewaschen und seine Jacke mit einem feuchten Tuch gesäubert. Das sind die Stellen, wo die Flecken sichtbar waren.«
»Mist!«
»Soll die Gerichtsmedizin einen DNS-Vergleich mit Tuttings Blut vornehmen?«
»Das ist doch sinnlos«, versetzte Jones missmutig. »Diese Ermittlungen kosten ohnehin schon ein Heidengeld. Wie soll ich da einen teuren DNS-Test ohne triftigen Grund rechtfertigen? Nein, das lassen wir.«
»Aber wenn Acland Tutting doch zusammengeschlagen hat, könnte es doch sein, dass an denselben Stellen neue Blutflecken sind.«
»Wenn Schweine fliegen können!«, entgegnete Jones verdrossen. »Die Gerichtsmedizin spricht von ›ausgewaschenen‹ Flecken, aber in Aclands Wohnung gibt es weder Waschmaschine noch Trockner, und er hätte nicht die Zeit gehabt, die Sachen von Hand zu waschen. In der Wohnung gibt es nur das Notwendigste.« Er prustete frustriert. »Der Bursche ist der reinste Asket. Er scheint ein absolut spartanisches Leben zu führen.«
»Warum befassen wir uns dann weiter mit ihm?«
»Er passt ins Bild - und wenn der Überfall auf Tutting nicht zu unserer Mordserie gehört, könnte Acland immer noch die ersten drei auf dem Gewissen haben.«
Beale schüttelte den Kopf. »Das kommt zeitlich nicht hin. Dr. Campbell zufolge war er monatelang aus dem Verkehr gezogen. Erst war er im Irak - dann in einem Krankenhaus in Birmingham.«
Jones schüttelte den Kopf. »Ich habe noch einmal mit ihr gesprochen. Sie sagte, er hätte eine Verlobte gehabt, die irgendwo in dieser Gegend lebte und die er regelmäßig besuchte
Weitere Kostenlose Bücher