Der Schatten des Chamaeleons
brauchen nur fünf Minuten, Ms. Morley. Ich weiß, es ist spät, aber es ist wirklich wichtig. Sie können auch im Hausflur mit uns sprechen, wenn Ihnen das lieber ist.« Er legte die Hand wieder über die Sprechmuschel, als Khan zurückkam.
»Sie hat einen halbnackten Japsen bei sich«, hauchte er. »Er klopft dauernd auf seine Uhr und klammert sich an seine Brieftasche.«
»Nur fünf Minuten, Ms. Morley«, sagte Beale wieder. »Mehr brauchen wir nicht.«
»Herrgott noch mal«, sagte sie wütend. »Okay, warten Sie.«
Sie sahen, wie sie aus ihrer Wohnung trat und die Tür sorgfältig hinter sich schloss, ehe sie ihren Morgenrock um sich zog und durch das Foyer ging. Aus zwanzig Metern Entfernung hatte sie eine katzenhafte Eleganz, die beide Männer flüchtig an jemanden erinnerte, den sie kannten; in der Nähe verblasste der Eindruck. Es war nichts Elegantes an den blutunterlaufenen Augen, dem verschmierten Make-up und dem Knutschfleck am Hals.
Sie zog die Haustür ein Stück auf und blieb stehen, um sie am Eintreten zu hindern. »Wenn Sie sich einbilden, Sie können reinkommen, müssen Sie schon mehr vorweisen«, zischte sie, als Beale sich vorstellte und seinen Dienstausweis zeigte. »Mindestens einen Durchsuchungsbefehl.«
Beale fragte sich, wie oft ihr schon ein Durchsuchungsbefehl unter die Nase gehalten worden war, und nahm sich vor, das zu überprüfen. »Wir haben nur ein paar Fragen, Ms. Morley. Unseres Wissens waren Sie bis vor einigen Monaten mit einem gewissen Charles Acland verlobt. Ist das zutreffend?«
»Und wenn? Was hat er über mich erzählt?« Sie tupfte sich die Nase mit dem Ärmel ihres Morgenmantels. »Es ist auf jeden Fall gelogen.«
Das war nicht die Antwort, die Beale erwartet hatte. Um Zeit zu schinden, zog er seinen Notizblock heraus und blätterte darin. »Sie erinnern mich an jemanden«, bemerkte er in beiläufigem Ton. »Sind wir uns schon einmal begegnet?«
»Uma Thurman«, entgegnete sie ungeduldig, als müsste das offensichtlich sein. »Alle halten mich immer für Uma Thurman.«
Beale nickte, während er sich fragte, ob sie wusste, wie heruntergekommen sie aussah. »Ja, jetzt erkenne ich die Ähnlichkeit.«
»Schon gut. Nun machen Sie schon. Ich friere mich hier halb zu Tode.« Sie rieb sich demonstrativ die Arme. »Charlie lügt, wenn er den Mund aufmacht. Ich hätte ihn wegen Vergewaltigung anzeigen können - und das weiß er auch.«
Beale nickte wieder, als wäre ihm dies bereits bekannt. »Wann ist das denn passiert?«
»Als wir uns das letzte Mal gesehen haben - bevor er in den Irak musste. Und später, als er wieder zurück war, hätte er mich im Krankenhaus beinahe erwürgt.« Sie griff sich an den Hals. »Ich wette, das hat er Ihnen nicht erzählt.«
»Nein.«
»Hat er Ihnen das mit der Vergewaltigung gesagt?«
Beale schüttelte den Kopf.
»Na also. Da haben Sie’s. Dem kann man kein Wort glauben. Wenn Sie mich fragen, hat sein Gehirn noch mehr abgekriegt als sein Gesicht. Fragen Sie seinen Psychiater, wenn Sie mir nicht glauben. Der weiß, was passiert ist. Er war dabei, als Charlie mich umbringen wollte.«
Er ? »Wie heißt dieser Psychiater?«
Jen Morley schien die Antwort schon auf der Zunge zu haben, da überlegte sie es sich anders. »Ich weiß nicht mehr. Ich bin weg, so schnell ich konnte, weil ich Angst hatte, Charlie würde es wieder versuchen.« Sie wurde wieder ungeduldig. »Aber das ist vorbei. Ich habe Charlie seit Monaten nicht mehr gesehen, und so soll es auch bleiben. Sind wir jetzt fertig?«
»Noch nicht ganz, Ms. Morley. Wir interessieren uns für die Zeit, in der Sie mit ihm zusammen waren. Wie oft hat Charles Acland Sie hier besucht?«
»Sooft er konnte. Er war verrückt nach mir.«
»Jedes Wochenende?«
»Natürlich - wenn er nicht gerade mit seinem Panzer über die Salisbury Plain ratterte oder zu irgendwelchen beschissenen Manövern nach Oman musste.«
»Über welchen Zeitraum ging das? Wann fing Ihre Beziehung an?«
Sie warf einen Blick über ihre Schulter, als hätte sie aus ihrer Wohnung etwas gehört. »Fast das ganze letzte Jahr. Wir haben uns Anfang des Jahres kennengelernt und uns getrennt, kurz bevor er in den Irak ging.«
Beale sah in seinen Block. »Können Sie sich erinnern, ob er an den Wochenenden des 9. und 10. sowie des 23. und 24. September in London war?«
»Soll das ein Witz sein? Ich kann mich nicht mal erinnern, was ich letzte Woche getan habe.«
Beide Polizisten glaubten das gern. »Können Sie es
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