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Der Schatten des Folterers

Der Schatten des Folterers

Titel: Der Schatten des Folterers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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einem Gewitter.
    Mit einemmal setzte der Riese sich auf. »Ich bin wach, Doktor.« Sein Gesicht war wuchtig und derb, aber auch empfindsam und traurig.
    »Willst du mich endlich umbringen?«
    »Was redest du da, Baldanders? Oh, du meinst den Optimaten hier. Er wird dir nichts tun – er hat sich mit dir das Bett geteilt, und nun schließt er sich uns zum Frühstücken an.«
    »Er hat hier geschlafen, Doktor?«
    Dr. Talos und ich nickten.
    »Dann weiß ich, woher meine Träume gekommen sind.«
    Ich war noch erfüllt vom Anblick der Riesenfrauen unter dem gespenstischen Meer und fragte deshalb, was er geträumt habe, obschon ich eine gewisse Scheu vor ihm hatte.
    »Von unterirdischen Höhlen, wo von steinernen Zähnen Blut tropfte ... Von abgetrennten, auf sandigen Wegen verstreuten Armen und von Kettengerassel im Dunkeln.« Er setzte sich auf die Bettkante und putzte sich die wenigen, erstaunlich kleinen Zähne mit seinem dicken Finger.
    Dr. Talos sagte: »Kommt jetzt, ihr beiden! Wenn wir essen und reden und heut' noch was schaffen wollen – nun, dann müssen wir los! Es gibt viel zu reden und viel zu tun.«
    Baldanders spuckte in eine Ecke.

Der Lumpenladen
    Es geschah während dieses Gangs durch die Gassen der noch schlummernden Stadt Nessus, daß mich der Kummer, der mich so oft überkommen sollte, zum ersten Mal mit aller Gewalt packte. Als ich in unserer Oubliette gesessen hatte, wurde er von der Schwere meines Vergehens und der Schwere der Wiedergutmachung, die ich unter Meister Gurloes' Händen bestimmt hätte leisten müssen, betäubt. Am Vortag, als ich über die Wasserstraße gezogen war, hatten ihn die Freude über die Freiheit und die Bitterkeit des bevorstehenden Exils vertrieben. Nun schien es mir, daß es auf der ganzen Welt keine schlimmere Wahrheit als Theclas Tod gäbe. Jeder dunkle Fleck in den düsteren Straßen erinnerte mich an ihr Haar; jedes aufblitzende Weiß gemahnte mich an ihre Haut. Ich konnte fast nicht widerstehen, zur Zitadelle zurückzulaufen' und nachzusehen, ob sie denn noch in ihrer Zelle säße, im Schein der Silberlampe lesend.
    Wir fanden ein Café, dessen Tische entlang dem Straßenrand aufgestellt waren. Da es noch früher Morgen war, herrschte wenig Betrieb. Ein Toter (der wohl mit einem Schal erdrosselt worden war, gab es doch noch einige, die in dieser Kunst Übung hatten) lag an der Ecke. Dr. Talos durchwühlte seine Taschen, seine Hände blieben jedoch leer.
    »Nun denn«, sagte er, »wir müssen uns etwas einfallen lassen, einen Plan aufstellen.«
    Eine Kellnerin brachte Mokkakaffee, und Baldanders stellte eine Schale vor sich hin. Er rührte mit seinem Zeigefinger um.
    »Severian, mein Freund, vielleicht sollte ich dir unsere Lage erklären.
    Baldanders – er ist mein einziger Patient – und ich stammen aus der Gegend des Diuturna-Sees. Unser Haus brannte, und da wir zur Instandsetzung ein wenig Geld brauchten, beschlossen wir, unser Glück in der Fremde zu versuchen. Mein Freund ist ein erstaunlich starker Mann. Ich sorge für Zuschauer, und er bricht Balken entzwei oder stemmt zehn Männer gleichzeitig in die Höhe, während ich meine Kuren verkaufe. Gar wenig, wirst du sagen. Aber das ist nicht alles. Ich habe ein Theaterstück, und wir besitzen Requisiten. Unter günstigen Umständen spielen wir gewisse Szenen und fordern sogar Leute aus dem Publikum zur Mitgestaltung auf. Nun, Freund, wie du sagst, ziehst du in den Norden, und aus deinem letzten Nachtquartier schließe ich, daß du kein Geld hast. Darf ich ein gemeinsames Unternehmen vorschlagen?«
    Baldanders, der offenbar nur den ersten Teil der Rede seines Gefährten verstanden hatte, sagte bedächtig: »Es ist nicht völlig zerstört. Die Mauern sind aus Stein, sehr dick. Einige Gewölbe blieben ganz.«
    »Richtig. Wir wollen das traute Heim wiederherstellen. Aber unser Dilemma ist – wir haben nun auf unserer Tournee die Hälfte des Heimwegs zurückgelegt, doch unsere zusammengetragenen Mittel reichen noch lange nicht. Was ich vorschlage ...«
    Die Kellnerin, eine schmächtige junge Frau mit widerspenstigen Haaren, kam mit einer Schüssel Haferschleim für Baldanders, brachte für mich Brot und Früchte und für Dr. Talos Kuchen. »Was für ein hübsches Mädchen!« sagte er.
    Sie lächelte ihm zu.
    »Kannst du dich zu uns setzen? Wir sind, glaube ich, deine einzigen Kunden.«
    Nach einem Blick in Richtung Küche zog sie achselzuckend einen Stuhl heran.
    »Vielleicht magst du ein Stück davon – ich komme

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