Der Schatten des Highlanders
glauben.
Er zog das Band aus dem Haar, kämmte sich mit den Fingern und beschloss dann, das Paar gegenüber einfach zu ignorieren. Er wandte sich an Sunny.
»Also gut«, sagte er leise auf Französisch. »Ich glaube, jetzt kann ich ein zusammenhängendes Gespräch führen. Warum hast du so lange gebraucht?«
»Abgesehen davon, dass mich Derrick durch die Küche aus dem Hotel geschmuggelt hat wie einen Promi auf der Flucht vor Paparazzi, kann ich einfach nicht gut laufen in Stöckelschuhen«, gestand sie. »Ich habe Derrick gebeten, dir eine SMS zu schicken, aber er fand, du könntest ruhig noch ein bisschen warten.«
»Eines Tages geht er zu weit.«
»Er meinte, dass du genau das sagen würdest.«
Cameron murmelte einen unterdrückten Fluch, dann seufzte er, als er einen weiteren missbilligenden Blick von ihren Reisegenossen erntete. »Eigentlich wollte ich dich die ganze Fahrt nach Frankreich über küssen, aber das geht jetzt wohl nicht.«
»Ich habe eine Idee. Gib mir doch bitte mal meine Handtasche. Ich traue mich in diesem Rock nicht aufzustehen.«
Er nahm ihre Handtasche aus dem Gepäckfach, wartete, bis sie gefunden hatte, was sie suchte, dann stellte er die Tasche wieder zurück an ihren Platz. Er setzte sich hin und sie sah ihn mit seligen Lächeln an.
»Was ist?«, fragte er schmunzelnd.
»Ich bin einfach glücklich darüber, mit dir zusammen zu sein«, sagte sie, und das sah man ihr auch deutlich an. Sie zögerte. »Sind wir unerkannt geblieben?«
»Derrick hätte mir mittlerweile eine SMS geschickt, falls nicht.«
»Dann können wir ja frei sprechen, oder ist Französisch nicht diskret genug? Sollten wir zu einer andern Sprache wechseln?«
Er war heilfroh, dass er sich die Mühe gemacht hatte, noch eine weitere Sprache zu lernen als nur modernes Englisch. »Du klingst ganz wie eine Linguistentochter. Es ist schon in Ordnung, ich höre dir gern zu, wenn du französisch sprichst. Wir können es später ja auch noch mit anderen Sprachen versuchen, wenn du magst.«
»Vielleicht.« Sie riss Streifen von einem Blatt Papier und reichte ihm die Hälfte davon. »Lass uns ein paar Kennenlernfragen aufschreiben. Betrachte sie als Fragen an jenen Teil deiner Persönlichkeit, der normalerweise Anzüge trägt.« Sie hielt inne. »Ich weiß nämlich kaum etwas darüber, was du gerne magst, weder im Mittelalter noch in der Gegenwart.«
»Am liebsten mag ich dich«, sagte er ernsthaft.
Sie schloss kurz die Augen, dann schrieb sie etwas und reichte ihm den Zettel.
Ich liebe dich. Aber jetzt hör mit dem gefühlsduseligen Quatsch auf, bevor ich anfange zu weinen und meine Wimperntusche verschmiert.
Er lächelte, dann wartete er, bis sie zu Ende geschrieben hatte, bevor er seine eigenen Fragen aufnotierte. Er fand, man konnte es ihm nicht zum Vorwurf machen, wenn sie sich vor allem darauf bezogen, wo denn ihre liebsten dunklen Ecken in Paris waren, damit er sie dort ungestört küssen konnte, oder darauf, wo es ihr in Schottland besonders gut gefiel, damit sie den Rest ihres Lebens dort zusammen verbringen könnten.
Subtile Fragestellungen waren vermutlich nicht seine Stärke. Er dachte einen Moment darüber, in welche Richtung die Dinge gingen, die er gerne gewusst hätte. Mit London hatte kaum eine seiner Fragen zu tun, obwohl sich ein großer
Teil seines Lebens dort abspielte. Er drehte eine Minute lang den Stift zwischen den Fingern, dann sah er sie an. »Ich möchte, dass du mir zuerst über deine Zeit in diesem Mädchenpensionat erzählst«, sagte er nachdenklich, und nach einer Weile fügte er hinzu: »Und was du von diesem ganzen Society-Kram hältst.«
Sie blinzelte erstaunt. »Warum?«
Er überlegte. Eigentlich hatte er geplant, ihr das, was sich in seiner Tasche befand, in einer romantischeren Umgebung zu überreichen, aber vielleicht hatte es keinen Sinn zu warten. Er war sich nicht sicher, ob der Zeitpunkt richtig war, aber es hatte ihm zu schaffen gemacht, dass er sie noch gestern über ihre Beziehung im Ungewissen lassen musste. Er wollte, dass sie wusste, für wen sein Herz schlug - selbst wenn er sie nicht in alle Einzelheiten einweihen konnte. Er wühlte in seiner Tasche, dann legte er einen Ring vor sich auf den Tisch. Er betrachtete ihn ein, zwei Augenblicke und hoffte, dass er sich mit seinem Ansinnen nicht vollkommen zum Narren machte. Am Tag zuvor hatte er Gideon de Piaget zur Weißglut getrieben, da er ihn eine Stunde lang warten ließ, um den Ring ändern zu lassen. Er hatte mit
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