Der Schatten des Highlanders
erschienen ihr wie Gespenster, die am Rande ihres Gesichtsfelds vorüberschwebten. Vielleicht hatte sie schluchzend in Madelyns Armen gelegen, und sie war sich ziemlich sicher, dass Patrick ihr beigestanden hatte, als sie sich übergeben musste.
Schließlich fand sie sich in ihrem eigenen Bett wieder, noch immer in ihrem feuchten Kleid und in zwei von Camerons Plaids gewickelt, und nur noch Patrick saß auf einem Schemel neben ihrem Bett und sah sie mit einem so ernsten Gesichtausdruck an, wie sie ihn noch nie bei ihm gesehen hatte.
»Ich bleibe heute Nacht bei dir«, sagte er ruhig. »Aber ich werde dich jede halbe Stunde aufwecken. Morgen fahren wir zur Untersuchung nach Inverness. Das ist nämlich eine ziemlich schlimme Beule da an deinem Hinterkopf.«
Sunny schloss die Augen, um die Tränen zurückzuhalten. Patrick sprach Gälisch mit mittelalterlichem Akzent und klang
unglaublich beruhigend. »Danke«, brachte sie mühsam hervor.
Er strich ihr sanft das Haar aus dem Gesicht. »Willst du darüber sprechen?«
»Nein.«
»Sunny, du warst über zwei Wochen verschwunden.«
»Sieht ganz so aus«, krächzte sie.
Er seufzte. »Gut, erzähl mir alles, wenn du dazu bereit bist.« Er hielt inne. »Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht. Besonders Jamie.«
»Ich habe ihn bei seinem Abendessen versetzt.«
»Er wird einen ausführlichen Bericht hören wollen.«
»Da kann er lange warten.«
Patrick lachte leise. »Er ist dein Laird, Mädchen. Etwas mehr Respekt.«
Dem konnte sie nicht zustimmen. Ihr Laird war irgendwo im Jahr 1375 zurückgeblieben, vermutlich hatte er durch Girics Schwerthieb oder einen Dolch im Rücken den Tod gefunden. Vielleicht war Cameron jetzt ein Geist, und sie würde ihn am nächsten Tag neben ihrem Feuer stehen sehen -nur würde sie ihn nicht berühren können.
»Musst du noch mal aufs Klo?«, fragte Patrick rasch.
»Nein«, brachte sie mühsam hervor. »Nein. Alles bestens. Danke.«
Er drückte ihr die Hand. »Natürlich, ich bin da, wenn du mich brauchst.«
Sie nickte und schloss die Augen. Sie konnte nicht mehr sprechen, nicht mehr denken, konnte sich nicht mehr der harschen Realität der vergangenen Ereignisse stellen.
Cameron hatte es nicht geschafft.
Sie war sich nicht sicher, ob sie das überleben würde.
Zehn Tage später wurde ihr klar, dass sie das Unvermeidliche nicht mehr länger aufschieben konnte. Sie musste zu Jamie gehen und ihm irgendeine vernünftige Erklärung dafür geben,
warum sie zwei Wochen verschwunden gewesen war, dann würde sie seinen skeptischen Gesichtsausdruck ertragen müssen, wenn sie ihm in Hinblick darauf, ob sie eines seiner Zeittore benutzt hatte, nicht die Wahrheit sagte.
Allerdings würde er sie bei ihrem ersten Besuch vielleicht noch gar nicht ausfragen. Selbst Patrick hatte sich das bisher verkniffen, außer der Erkundigung, wie es um ihre Kopfschmerzen bestellt war.
Vielleicht sah sie ja wirklich so furchtbar aus, wie sie sich fühlte.
Das lange Schlafen hatte nicht viel genützt. Sie hatte zwar eine ganze Woche das Bett gehütet, in ihr schmutziges Kleid und in Cameron Mac Camerons zwei leidlich saubere Plaids gehüllt, und darauf gehofft, dass er irgendwann doch an ihrer Tür erscheinen würde. Sie hatte anschließend noch zwei weitere Tage im Sessel vor einem fröhlich knisternden Feuer gesessen und gewartet.
Aber er war nicht gekommen.
Schließlich hatte sie die Hoffnung aufgegeben. Wenn er den Weg zu ihr finden sollte, dann wäre das mittlerweile geschehen. Aber er hatte diesen Weg nicht gefunden und würde ihn wohl auch nicht finden — nicht einmal als Geist.
Der einzige Lichtblick war, dass die Verletzung an ihrem Hinterkopf so weit abgeheilt war, dass sie sich wieder die Haare waschen konnte. Eine Untersuchung in Inverness hatte ergeben, dass sie zwar eine gewaltige Beule davongetragen hatte, sie aber auch einen harten Schädel hatte. Man hatte ihr geraten, das Bett zu hüten, und sie war dem nur zu gerne nachgekommen. Zur Zeit war das Leben leichter zu ertragen, wenn sie das meiste davon verschlief.
Sie schlurfte ins Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. >Betrachten< konnte man es eigentlich nicht nennen, eher war es ein gelegentlicher kurzer Blick, wenn sich die Sternchen vor ihren Augen so weit lichteten, dass sie etwas sehen konnte.
Sie fand sich nicht sehr verändert, obgleich sie etwas dünner geworden war. Patrick hatte versucht, alles Mögliche an Flüssigkeit in sie hineinzuzwingen, zubereitet aus
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