Der Schatten des Highlanders
wahrscheinlich hatte sie recht. Vollends überzeugt war er, als er der finsteren Blicke des guten Lord von Benmore gewahr wurde.
Er blieb ein paar Schritte vor Sunnys Schwager stehen und wünschte sich nichts sehnlicher als ein Schwert.
Patrick sah ihn einen Augenblick lang prüfend an, dann musste er Camerons Veilchen bemerkt haben, denn er fing an zu lachen.
»Ich wollte Sie schon fragen, was zum Teufel Sie zu dieser unchristlichen Zeit mit meiner Schwester hier wollen, aber ich sehe, die Zeit wurde gut genutzt ...« Er hielt inne und wandte sich mit einem finsteren Stirnrunzeln an Sunny. »Hast du ihm einen Fausthieb verpasst?«
»Ich habe ein Buch auf ihn fallen lassen.«
»Ein Buch fallen lassen?«, echote er. »Du meinst wohl, >ein Buch geworfen«
Sunny seufzte. »Das sind doch Wortklaubereien, Pat. Ich habe nicht meine Jungfräulichkeit verteidigen müssen. Er hat sich wie ein perfekter Gentleman benommen. Es war nur, als wir ins Bett gingen und ich mich über ihn gebeugt habe ...«
»Du hast was?«
Cameron sah, dass Sunshine die Frechheit besaß, zu lachen, und dann unter Patricks Arm hindurch in die Sicherheit der Burg entwischte. Es hätte ihn nicht weiter überrascht, wenn Patrick ihn zu einem Schwertkampf herausgefordert hätte — falls das die Art war, wie er Dinge regelte, was Cameron nicht bezweifelte.
»Würden Sie so freundlich sein und mir eine Erklärung liefern?«, sagte Patrick frostig.
Cameron hob abwehrend die Hände. »Ich habe auf ihrem Fußboden geschlafen, nicht in ihrem Bett, aber ...«
»Nichts aber!«, knurrte Patrick wütend. »Was glauben Sie eigentlich, was Sie mit ihr machen, Sie verfluchter Narr? Und wenn Sie mir noch einmal sagen, Sie wissen nicht genau, warum Sie ihre Nähe suchen, dann werden Sie das bitter bereuen.«
In seiner Jugend hätte Cameron als Antwort auf Patricks Tonfall sicher das Schwert gezogen, aber er war nicht mehr so ein Heißsporn wie damals - und schließlich war es ja auch Patrick MacLeods gutes Recht, eine Erklärung zu verlangen. Vermutlich war es das Mindeste, ihm so ehrlich wie möglich Rede und Antwort zu stehen.
»Ich habe mir wegen ihr vorletzte Nacht einen bösen Rausch angetrunken, dann kam ich gestern Nachmittag zu ihr und bat sie, ob sie mir einen Tee zubereiten könnte, der den Kater vertreibt. Da haben Sie Ihre Antwort.«
»Aber Sie sind doch verlobt!«
»Bitte glauben Sie mir«, erwiderte Cameron grimmig, »ich bin mir dieser Tatsache unangenehm bewusst.«
Patrick verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann will ich mal sehen, ob ich mit meinem geringen Verstand Ordnung in Ihr Durcheinander bringen kann. Sie sind mit einer Frau verlobt, aber dennoch schrecken Sie nicht davor zurück, zu einer anderen nach Hause zu kommen und ihr die Ohren vollzujammern? Einer Frau, die zufällig auch noch meine Schwester ist? Haben Sie denn gar keine Ehre im Leib, oder fehlt es Ihnen schlicht an Verstand?«
Cameron fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Vielleicht stimmt beides ein bisschen.«
»Sie befinden sich hier nicht auf Cameron-Land, Bürschchen«, fuhr Patrick in leisem, gefährlichem Tonfall fort. »Ganz gleich, wie nett wir uns neulich abends unterhalten haben, wenn Sie Sunny auch nur ein Haar krümmen, dann werde ich Sie in Scheibchen schneiden, Ihnen das Gedärm herausreißen und Sie damit erwürgen und dann alles so aussehen lassen, als wäre es ein tragischer Unfall gewesen. Und wenn Sie meinen, ich kann — oder werde — so etwas nicht tun, dann täuschen Sie sich.«
Cameron hatte im Grunde nichts anderes erwartet und hegte keinen Zweifel, dass Patrick seine Drohung wahrmachen würde, wenn er ihn reizte. »Die Warnung ist angekommen.« Er schwieg eine Weile. »Vielleicht beruhigt es Sie, zu wissen, dass sie mich nicht mag.«
Patrick blickte wieder auf sein Veilchen, schnaubte verächtlich, dann ging er in seine Burg zurück. »Dann ist wenigstens sie vernünftig. Kommen Sie rein zum Essen.«
Cameron ließ sich nicht zweimal bitten.
Und als er bald darauf fröhlich am Tisch saß und Köstlichkeiten verdrückte, die er nicht in Sunshines Kühlschrank gefunden hatte, grübelte er über Patrick MacLeod nach. Er dachte an die Geschichten, die im Pub über James MacLeod kursierten, und an die Gerüchte, an die er sich aus seiner Jugend erinnerte - Gerüchte über James, den Laird des MacLeod-Clans, der den Tod überlistet und seine Frau ins
Paradies geführt hatte. Der Cousin dieses Lairds, Ian, war mehrere Jahre später
Weitere Kostenlose Bücher