Der Schatten des Highlanders
Augen auf. Sie blickte einen Moment lang zur Decke, dann setzte sie sich auf und blickte ihn an.
»Sie sind dageblieben.«
Er deutete auf das dunkler werdende Veilchen unter seinem linken Auge, das durch ihr Buch verursacht worden war. »Ich wurde unter Ihrem Dach verwundet. Und vergiftet obendrein.«
»Wahrscheinlich haben Sie beides verdient.«
Er lächelte. »Vermutlich.« Er reichte ihr die andere Tasse. »Ist es zu früh für Tee?«
»Ist es dafür jemals zu früh?«
»Niemals, besonders wenn der Tee großzügig mit Whisky gestreckt ist.«
»Das würde ich nicht empfehlen«, sagte sie und nahm ihm die Tasse ab. »Bedenken Sie nur, wohin Sie das zuletzt gebracht hat.«
Ja, dahin, dass ich dich beim Aufwachen neben mir sah. Er konnte aufrichtig sagen, dass es diesen Preis sehr wohl wert gewesen war.
»Haben Sie schon geduscht?«, wollte sie wissen. »Ich habe Sie gar nicht gehört.«
»Nein, aber ich habe mir mit Ihrem Rasierer das Gesicht zerschnitten und beim Herumschnüffeln in Ihrem Bad eine neue Zahnbürste gefunden, die ich verwendet habe. Dafür bekommen Sie dann auch eine von mir, wenn Sie mal bei mir übernachten.«
Sie erstarrte. Dann stand sie sehr vorsichtig auf und stieg an ihm vorbei. Sie stellte ihren Teebecher auf dem Kaminsims ab und ging weiter ins Bad. Er hörte deutlich, wie sie die Tür hinter sich verriegelte.
Cameron senkte den Kopf. Sein erster Gedanke war, dass er seine Attraktivität wohl gründlich überschätzt hatte. Dicht gefolgt von der Erkenntnis, dass Sunnys Zögern vermutlich weniger mit ihm selbst als mit seinen persönlichen Verhältnissen zu tun hatte.
Damit, dass er mit einer anderen Frau verlobt war.
Er rieb sich mit den Händen übers Gesicht. Hätte er nur einen Funken Verstand gehabt, dann hätte er einen Zettel mit Dankesworten auf ihrer Anrichte hinterlassen und wäre fest entschlossen nach Cameron Hall zurückgeritten und wieder in jenes unerquickliche Dasein eingetaucht, das sein Leben war. Hätte er auch nur ein Fünkchen Verstand gehabt, so hätte er sich niemals im Leben - nur um eine Entschuldigung dafür zu haben, dass er sie aufsuchte - diesen Mordsrausch angetrunken; noch hätte er die ganze vergangene Woche damit verbracht, alle Gedanken an sie aus seinem Bewusstsein zu verbannen. Eigentlich war es länger als eine Woche gewesen, von dem Augenblick an nämlich, als er sie in James MacLeods großem Saal in seinen Armen aufgefangen hatte.
Die folgenden Tage hatte er damit verbracht, entweder an sie zu denken oder zu versuchen, nicht an sie zu denken. Und nun sollte er einfach Weggehen, wenn er leibhaftig vor ihrem Feuer saß?
Unmöglich.
Er trank seinen Tee aus, machte Sunnys Bett für sie, rollte die Campingmatratze zusammen und faltete die Decken, dann setzte er sich in den Sessel am Feuer und ließ die Badezimmertür nicht aus den Augen.
Er hörte das Wasser in der Dusche laufen. Kurz danach vernahm er das Geräusch eines Föhns. Dann herrschte so lange Stille, dass er sich fragte, ob sie vielleicht aus dem Badezimmerfenster geklettert war, um ihm zu entkommen. Das hätte ihn auch nicht weiter überrascht.
Aber noch bevor er sich entschließen konnte, ob er klopfen sollte oder nicht, ging die Tür auf und eine frischgeschrubbte Sunshine Phillips erschien. Es war der schönste Anblick seines ganzen bisherigen Lebens.
Er stand mit einem Ruck auf und ging an ihr vorbei in die Küche, bevor er etwas Dummes anstellte, wie zum Beispiel sie stürmisch zu umarmen und zu küssen.
»Ich mache Ihnen Frühstück«, sagte er.
Sie blieb vor der Küche stehen. »Kann ich es wagen, es zu essen?«
»Ich verspreche, die Lobelie wegzulassen«, sagte er, machte den Kühlschrank auf und sah hinein. Keine Butter, keine Eier, keine Milch und keine Würstchen. Brot, das aussah, als stamme das Mehl aus einer mittelalterlichen Mühle, und ringsum nichts als Unmengen Grünzeug aller Art. »Mist, hier gibt es ja überhaupt nichts Essbares«, rief er aus und sah sie verblüfft an. »Wovon leben Sie eigentlich?«
»Von Früchten und Salaten. Das ist gut für ein ausgeglichenes Chi.«
Er machte die Kühlschranktür zu. »Sie sind doch hoffentlich nicht eine von diesen Gestörten, die uns missionieren und die übrige Menschheit von Würstchen mit Kartoffelbrei befreien wollen?«
»Mir ist gleich, was Sie essen«, sagte sie hochmütig. »Ich achte nur darauf, was ich esse.«
»Mädchen, gegen Porridge ist doch nichts einzuwenden. Ich versichere Ihnen, die
Weitere Kostenlose Bücher