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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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Weitere Fakten nach der Außenwelt hatten in einer Zelle keine Relevanz. Der alte Mann speiste sie mit ein, zwei Worten ab.
    Sid legte sich auf seine Pritsche. Überrascht fuhr er herum, als der Neue ihn in perfektem Englisch ansprach.
    »Na, mein Junge, was hast du angestellt?«, wollte er wissen.
    Sid setzte sich auf. Der Greis hatte sich auf seiner Liege ausgestreckt und musterte ihn mit unverhohlener Neugier. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von Sids entfernt.
    »Nichts habe ich getan!«, platzte es so heftig aus Sid heraus, als sei sein Gegenüber für seine Misere verantwortlich. »Man hat mich wegen dem Besitz von Drogen verhaftet, aber die hat man mir untergeschoben.«
    Der Alte lächelte. »Das sagt sicher jeder, den sie mit dem Zeug erwischen.«
    Sid spürte, wie Wut in ihm hochkochte. »Aber in meinem Fall stimmt es!«, brüllte er. »Irgendjemand hat mir den Mist in die Tasche gesteckt und dann die Bullen gerufen!«
    Mahmud beugte sich auf seinem Bett vor und funkelte Sid böse an. Er wollte offensichtlich nicht beim Nasenbohren gestört werden. Sid winkte ab und wandte sich wieder dem alten Mann zu. »Sie können es sich ja nicht vorstellen, wie es ist, wenn man zu Unrecht eingesperrt wird!«
    Der Greis lächelte. »Oh doch, mein junger Freund«, flüsterte er. »Das weiß ich ganz genau! Mein einziges Verbrechen besteht nämlich in dem Namen, den ich von meinen Eltern geerbt habe: Husni Abd-er-Rassoul.«
    Sid sah ihn fragend an. »Ich verstehe nich t …«
    »Das kannst du auch nicht, denn du bist nicht von hier«, fuhr der alte Mann leise fort. »Bei jedem Ägypter allerdings klingelt es bei diesem Namen in den Ohren.« Er warf einen verächtlichen Blick auf ihre übrigen Zellengenossen. »Von diesen Banausen hier einmal abgesehen. 1875 waren Ahmed und Mohamed Abd-er-Rassoul in Deir el-Bahri auf der Suche nach einer ihrer Ziegen, so will es jedenfalls die Legende. Fakt ist, dass die Brüder dabei zufällig auf eine unterirdische Kammer stießen. Kurz darauf tauchten plötzlich so viele antike Kunstgegenstände auf dem illegalen Markt auf, dass selbst die Antikenbehörde davon Wind bekam. Sie fingierten Kaufinteresse und ließen sich über Mittelsmänner und Zwischenhändler mit dem eigentlichen Besitzer der Waren zusammenbringen. Ob ihn nun kräftige Prügel oder saftige Belohnungen überzeugten, ist umstritten. Jedenfalls führte Ahmed die Mitarbeiter des Ägyptischen Museums in seine Schatzkammer, elf Meter unter dem Wüstensand: Ein Sammelgrab von über vierzig adeligen Mumien aus der 17.–20 . Dynastie, unter ihnen Setho s I., dem Vater von Ramse s II., dem bedeutendsten Herrscher des Neuen Reiches, wenn nicht des ganzen alten Ägyptens.«
    Sid schauderte. Nicht die Vorstellung an eine unterirdische Grabhöhle mit gestapelten Mumien machte ihm Angst. Es war nur ein Name. »Setho s …«, stammelte er. »Hat der etwas mit Seth zu tun, dem Gott des Chaos und Verderbens? Ich dachte, die alten Ägypter hätten ihn gefürchtet und verachtet?«
    Husni zog die Augenbrauen hoch. »Du kennst dich aus in unserer Mythologie? Die meisten Touristen wollen nur Tutanchamuns Maske und die Pyramiden sehen, mehr interessiert sie nicht. Ja, in der Tat«, fuhr er nach kurzem Grübeln fort, »Seth wurde verachtet. Aber meine Vorfahren wussten auch, dass sie ihn brauchten. Ohne Böse kein Gut. Im Christentum ist es ja nicht anders. Nach langen Jahrhunderten der Missachtung wandten sich einige Pharaonen der 19. und 20 . Dynastie wieder diesem sonderbaren Gott zu. Sie verehrten ihn und seine Kräfte so sehr, dass sie sich sogar nach ihm benannten. Der Grund dafür liegt im Dunkel der Geschichte.«
    Sid lief eine Gänsehaut über den Rücken. Noch ein Geheimnis mehr, dachte er, für das ich vielleicht die Antwort in mir trage.
    »Das ist sie eben, die Last des Namens«, nahm der alte Mann den Faden wieder auf. »Die Abd-er-Rassouls haben angeblich schon vor diesem bedeutenden Fund fünf Jahrhunderte lang von der Grabräuberei gelebt und sie tun es womöglich noch heute. Ich aber habe mit ihnen nichts zu tun. Es ist nur mein Name! Ich heiße wie sie und sie heißen wie ich, das ist alles.« Er seufzte und starrte auf die Matratze über seinem Kopf. »Allah ist mein Zeuge!«
    Bei allen schwarzen Gedanken, die sich plötzlich wieder in seinem Gehirn breitgemacht hatten, wollte Sid doch den Schluss der Geschichte hören. »Dann will die Polizei von Ihnen erfahren, wo weitere Schätze zu finden sind?«
    Husni

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