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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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sie gehört, aber es war nicht gut. Hell blieb dunkel, groß blieb klein, schwer blieb leicht.
    Kraft sammelte ich durch fremdes Blut. Rot reinigte mein Herz. Riechen konnte ich bald und hören. Aber sehen konnte ich nicht.
    Lange nicht. Nur einmal oder zweimal. Lange, lange ist es her.
    Aber nun, sa’i meri’i , wird alles gut. Durch deine Augen sehe ich, durch dich kommt meine Erinnerung wieder. Du hast mein Herz vermisst, mein unsterbliches Herz.
    Du bist anders. Als ich vor dir stand, erkannte ich dich als meinesgleichen, denn ich roch wie du und du wie ich. Und dein Herz hatte fünf Kammern, wie keines Menschen auf Erden.
    Ich werde dich so mächtig machen, die Berge werden vor deinen Worten erzittern, denn es werden meine Worte sein. Du wirst ich und ich werde du.
    Aber dafür musst du von nun an aufhören, du zu sein!

41. Kapitel
    Kairo, Tora Prison Complex, Samstag, 27./28 . Oktober
    In der folgenden Nacht gestattete er sich nicht, auch nur eine Sekunde die Augen zu schließen. Die grelle Deckenlampe half ihm dabei. Mehrmals hatte er das Gefühl, Mahmud oder einer seiner Vasallen würden ihn beobachten, wenn er aber herumfuhr, stellten sie sich schlafend. Der alte Husni hatte den Rest des Abends geschwiegen. Offenbar nahm er das Schicksal doch nicht so gelassen hin, wie er Sid glauben machen wollte. Erst spät in der Nacht drang ein leises, unregelmäßiges Schnauben von seiner Pritsche. Das Gesicht hatte e r – vielleicht als Vorsichtsmaßnahme?– zur Wand gedreht.
    Sid hielt bis zum Wecken durch. Mahmud furzte laut und anhaltend, dann beäugte er den angeblichen Deutschen noch abfälliger als sonst. Wahrscheinlich ahnte er den Schwindel längst. Bald hätte er genug Argumente für eine Abreibung zusammen.
    Husni Abd-er-Rassoul schwang sich elegant aus dem Bett, reinigte sich über dem verbeulten Wassereimer Gesicht, Hände und Füße. Dann breitete er seine Bettdecke ordentlich auf dem nackten Zellenboden aus, fiel auf die Knie und verbeugte sich, vermutlich nach Mekka. Zunächst grinsten die anderen sechs höhnisch, mit jeder Gebetszeile jedoch wirkten sie unsicherer. Plötzlich ungeheuer geschäftig strichen sie ihre glatten Laken noch glatter.
    Nach dem Frühstück ging es los. Sid wusste sofort, als die Zellentür außerplanmäßig geöffnet wurde, dass die Wachmannschaft zum Angriff blies. Wenn nicht ihm selbst dieser Besuch galt, hatte der alte Husni mit seiner Einschätzung wohl Recht gehabt. Zwei Wachmänner betraten die Zelle, die Sid schon in den vergangenen Tagen als besonders übellaunig und reizbar aufgefallen waren. Alle acht mussten sich breitbeinig neben dem Fenster aufstellen, wie immer mit dem Gesicht zur Wand. Aus dem Augenwinkel heraus konnte Sid trotzdem beobachten, wie die Männer die Betten inspizierten, besonders der Pritsche von Husni widmeten sie sich eingehend. Einer von ihnen zog seinen Schlagstock vom Gürtel. Angewidert, als müsse er in einem Müllhaufen herumwühlen, schob er damit die dünne Decke des alten Mannes zur Seite und zerwühlte sie. Kaum war er damit fertig, begann der zweite zu krakeelen. Husni ließ die Hände sinken und drehte sich um, der Schließer hatte ihn wohl dazu aufgefordert. Er baute sich vor dem Greis auf und wirbelte mit großen Gesten vor ihm herum. Husni bewahrte stoische Ruhe und antwortete nicht, was das Gezeter nur noch lauter werden ließ. Endlich bellte der Wachmann einen letzten Satz, der an alle gerichtet schien, und die beiden verschwanden.
    Alle drehten sich um. Sie sollten erleichtert aussehen, überlegte Sid, denn keiner hat sie geschlagen oder beschimpft, aber sie tun es nicht. Sie sind sauer!
    »Heute Mittag gibt es leider kein leckeres Fünf-Sterne-Menü«, vermeldete Husni bedrückt. »Als Strafe für alle, weil mein Bett nicht vernünftig gemacht war!«
    Sid schnaufte empört. »Das ist doch wohl ein Witz! Ich habe genau gesehen, wi e …« Weiter kam er nicht. Mahmud stieß ihn mit der Schulter zur Seite. Sid schlug unter der unerwarteten Wucht gegen einen Bettpfosten. Sein Ellenbogen brannte. Er kam nicht dazu, sich zu beschweren. Der Typ mit der fleischigen Nase umklammerte den alten Husni von hinten, sodass dieser nach Luft rang. Mahmud gab ihm eine schallende Ohrfeige. Dem Alten flog der Kopf herum.
    Sids Herz raste. Er war nicht so lebensmüde, sich mit sechs Knackis anzulegen, aber er konnte nicht dabei zusehen, wie sie einen Greis zusammenschlugen. Mit zwei Sätzen war er an der Tür und wummerte mit der Faust

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