Der Schatten des Horus
auf. Fieberhaft schlugen sie auf die Klinke ein. Der Wagen wackelte, hielt aber stand. Als Rascal zum Auto zurückhastete, hörte sie hinter sich trommelnde Fäuste. Dann splitterte das Glas. Jemand hatte einen Stuhl durch die Scheibe geschmissen. Die scharfen Kanten würden nicht lange ein Hindernis bleiben.
Yusuf stieß die Beifahrertür auf, Rascal warf sich kopfüber hinein. Mit kreischenden Reifen jagten sie die Rampe hinauf.
»Du musst so schnell wie möglich die Stadt verlassen!«, keuchte Rascal. Auf Yusufs Gesicht machte sich ein Lächeln breit. »Im Gegenteil, wir halten an!«
Rumpelnd setzte er den Ford in eine Parklücke. Rascal starrte entsetzt aus dem Fenster. Sie waren keine zweihundert Meter vom Portal des Krankenhauses entfernt. »Wa s … was soll das?«, stammelte sie aufgebracht.
Statt einer Antwort drückte Yusuf ihren Kopf nach unten. »Vertrau mir!«, flüsterte er. »Und bleib in Deckung! Araber gibt es hier Tausende. Aber ein Mädchen mit knallroten Haaren fällt auf wie ein rosa Elefant!«
Rascals Herz raste. Die Sirenen der Polizei näherten sich. Und hinten im Kofferraum lag eine Leiche.
Drei, vier, fünf Wagen hörte sie vorbeijagen. Dann startete Yusuf den Motor wieder. »Mehr kommen nicht, wir haben freie Fahrt.« Er öffnete die Klappe der Ablage, zog ein schwarzes Tuch hervor und reichte es Rascal nach unten. Mit dem unvermeidlichen Hupen fädelte er sich in den Verkehr ein und setzte ruhig seinen Weg fort.
Rascal starrte das Tuch an. »Was soll ich damit?«, fragte sie verwirrt.
Yusuf lachte. Seine großen Zähne strahlten. »Ich habe doch schon gesagt, deine Haare sind das Problem. Aber Yusuf und seine Frau Fatima sucht niemand!«
Rascal verstand. Schmunzelnd legte sie sich das Kopftuch um, bis nur noch ein breiter Schlitz für ihre Augen blieb. Etwas zögerlich setzte sie sich auf ihren Platz. Sie waren bereits wieder mitten in Kairos Verkehrschaos untergetaucht.
»Ana mat kal limsch arabi!« , säuselte Rascal und klimperte mit den Wimpern.
Yusuf lachte wieder. »Du musst auch gar nicht Arabisch sprechen. Schweig einfach, und sei eine gehorsame Ehefrau!«
»Diese Rolle ist nichts für mich«, antwortete Rascal mit einem schiefen Grinsen.
Yusuf lächelte milde. »Was versteht eine Amerikanerin schon vom Koran!«
Rascal wurde ernst. »Wir müssen sofort nach Theben«, erklärte sie. »Ich kann mich nicht ewig als Ägypterin ausgeben. Auch wenn Kairo riesig ist, mich werden sie finden!«
Yusuf nickte. »Wir haben einen kleinen Vorsprung. Bis sie deine Hoteladresse überprüft haben, sind wir über alle Berge!« Er hielt den Arm aus dem Fenster, hupte, und bog winkend in die Sharia Talaat Harb ein. Vor dem Chufu Hotel schepperte er gegen einen Mülleimer und hielt.
»Beeil dich trotzdem«, mahnte er. »Hol eure Sachen. Ich lass den Motor an.«
Rascal öffnete die Tür, stieg aus und warf das Kopftuch auf den Sitz. Zögernd sah sie sich um. Ein Polizeiwagen war nicht zu sehen. »Wir sollten das Auto wechseln«, schlug sie vor. »Vielleicht hat sich jemand dein Nummernschild gemerkt.«
Yusuf grinste. »Es ist sowieso gefälscht«, sagte er gelassen. »Ich habe keinen Führerschein!«
44. Kapitel
Kairo, Tora Prison Complex, 28 . Oktober 2007, 1 0 Uh r 58
Birger Jacobsen ließ den Kragen des Knastschergen los und sank in den Stuhl zurück. Das Zimmer schien sich zu drehen, der Kopf seines Gegenübers zoomte wie ein Tütenkasper heran und wieder weg.
»Schläg t … schlägt sein Herz ganz bestimmt nicht mehr?«, stammelte er verwirrt.
Der Gefängnisangestellte schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen!«, erwiderte er mit strengem Gesicht. »Das wird bei uns immer gründlich untersucht. Es hat in der Vergangenheit schon mehrere Fluchtversuche mit Medikamenten gegeben, die das Herz langsamer schlagen lassen. Wen wir rauswerf…, ähm, gehen lassen, der ist auch tot.« Er holte einen blauen Pass unter seinem Stapel hervor und legte ihn mit spitzen Fingern geräuschlos vor seinem Gegenüber auf den Tisch, als wollte er mit dem Dokument auch jegliche Verantwortung loswerden.
Wie in Trance schlug Birger Jacobsen den Reisepass auf. Seine Hände zitterten. Das Foto musste ein paar Monate vor dem Unfall aufgenommen worden sein. Der sa trug sauber gescheitelte blonde Haare und versuchte ein verwegenes Lächeln.
Birger Jacobsen dachte nicht an sein eigenes Leid, dachte nicht daran, was Tanaffus mit ihm machen würde. Die Schmerzen, die er bei Theodorakis beobachtet hatte,
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