Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
Vom Netzwerk:
Ba-Bomm. Ba-Bomm .
    »Wa s …?«
    »Psssst!«, beschwor ihn Rascal. »Ruh dich aus, Liebster! Du hast wirklich genug mitgemacht!«
    Sid versuchte zu blinzeln. Da saß sie, umwerfend schön wie immer. Ihr Lächeln konnte Berge schmelzen, da war er sich sicher. Trotz ihrer Ermahnung streckte er seinen Arm aus. Er musste sie berühren. Viele Kilometer lag er so da, ihre Hand in seiner, unzählige Schlaglöcher lang. Dann fand er die Kraft zu fragen.
    »Wi e … wie komme ich hierher?«, stammelte er mit brüchiger Stimme. »Wie habt ihr mich aus dieser Hölle rausgeschleust? In meinem Kopf ist eine Lücke, wie nach dem Koma. Ic h … ich hatte mich mit Mahmud angelegt. Und dann?« Er schluckte einen Knoten hinunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte.
    »Du warst tot, mein Freund!«, rief Yusuf fröhlich von vorne. »Und jetzt lebst du wieder! So eine Frau wie sie hätte ich auch gerne!« Er schnalzte genießerisch mit der Zunge. Ihm schien die gute Laune nie auszugehen, und er stellte erstaunlich wenig Fragen.
    »Es stimmt, was Yusuf sagt«, bestätigte Rascal. »Faux hat dafür gesorgt, dass dir in der Gefängnisküche ein Gift ins Essen gemischt wurd e – es riecht nicht und schmeckt nach nichts. Keiner konnte es bemerken, nicht einmal deine Nase. Das Mittel hält das Herz an, sorgt aber dafür, dass das Gehirn trotzdem Sauerstoff bekommt. Es gab natürlich ein gewisses Risiko, weil wir nicht sicher sein konnten, ob du die richtige Schüssel bekommen würdest, aber wir vermuteten, dass du als rangniedrigster in der Hierarchie immer der Letzte sein würdest. Und: Wir hatten Recht!«
    »Toll!«, ächzte Sid. Es sollte sarkastisch klingen.
    »Du solltest beim Wecken am Morgen gefunden werden, so der Plan. Dass dich sechs Schwerverbrecher mit den Fäusten bearbeiten, konnte Faux ja nicht ahnen. Aber vielleicht war da s – Verzeihung!– sogar dein Glück. Ihre Schläge könnten verhindert haben, dass sie deine ›Leiche‹ genauer untersucht haben.«
    Ein aufgeregtes Hupen ließ sie herumfahren. Yusuf war zwischen zwei Bussen hindurchgefahren, zwei Gemüsestände an der Straße hatten sie nur um Haaresbreite verfehlt.
    »Wenn du weiter so fährst, war die ganze Aktion umsonst!«, stöhnte Sid. »Dann bin ich doch noch tot. Viel mieser als im Augenblick könnte ich mich sowieso nicht mehr fühlen!«
    Yusuf drehte sich zu den beiden um. »Weißt du, Sid: Alkohol, Frauen, Glücksspiel, Marihuan a – alles was Spaß macht, ist vom Koran verboten. Und alles was erlaubt ist, ist auch verboten! Deshalb fahren wir Araber wenigstens so, dass man nicht weiß, wie es ausgeht. Inshallah! Wir Menschen haben das Schicksal nicht entworfen!«
    Wieder so eine typische arabische Weisheit, diese Sprache schien voll davon zu sein. Für jede Lebenslage gab es die passende Erklärung, aber dieser Satz traf Sid ins Mark. Schicksal oder Zufall, an eines von beiden musste man glauben. War das Leben eine Verkettung von Zufällen? Was wäre, wen n … er sich nicht für den Ferienkurs bei M r Wallace angemeldet hätte? Rascal hätte nie seinen Weg gekreuzt. Und sonst? Hätte er sie auch an einer anderen Stelle in der Stadt getroffen? Waren sie füreinander bestimmt, wie es immer in den schmalzigen Filmen hieß, die seine Mutter so liebte? Oder war es Schicksal? Ein fertiges Drehbuch, das jedem Neugeborenen mit auf den Weg gegeben wurde?
    »Glaubst du an Schicksal?« Er streichelte sanft Rascals Hand, zu mehr fühlte er sich noch nicht fähig.
    Rascal nickte. »Ja«, sagte sie knapp und suchte nach den richtigen Worten. »Ich glaube, es gibt einen Weg, der uns vorausbestimmt ist. Aber es ist kein Tunnel. An jeder Kreuzung haben wir die Möglichkeit, uns zu entscheiden. Nach links geht’s in die Gosse, nach rechts ins Glück. Du entscheidest selbst!«
    Wieder einmal war Sid von Rascals Klarheit beeindruckt. Sie schien sich wirklich zu jedem spannenden Thema schon ihre Gedanken gemacht zu haben. Auch war ihm nicht entgangen, dass sie von einem vagen uns konkret geworden war: Du entscheidest selbst! Sie hatte den Zweck seiner Frage sofort durchschaut. Was für ein großartiges Mädchen!
    »Wir haben noch knapp zweihundert Kilometer vor uns!«, verkündete Yusuf. »Die fahre ich auch mit nur einem Fuß. Wenn ihr wollt, bleibt beide hinten liegen und ruht euch aus. Hauptsache, ich darf singen!« Ohne die Antwort abzuwarten schmetterte er los. Die Worte klangen nach Herz und Schmerz und toten Geliebten.
    Rascal stieß Sid mit dem Ellenbogen an.

Weitere Kostenlose Bücher