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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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hierbleibst«, erklärte er. »Und wenn wir in einer Stunde nicht zurück sin d …« Er drückte den Gedanken an das, was passieren könnte, weg.
    Rascal knipste ihre Taschenlampe an. Das Licht warf einen wackeligen Kegel in die Tiefe. Der Abstieg war eine steile Rampe, nur an wenigen Stellen waren die Überreste von Stufen zu erkennen. Sid biss sich auf die Lippen. Wieder ein Grab. Wieder Geruch von Moder, Schimmel, nassem Staub. Und die Ahnung davon, dass hier ein toter Mensch, ein ausgehöhlter, ausgetrockneter Körper gelegen hatte. Sid schüttelte sich. Er versuchte sich vorzustellen, in einen ganz normalen Kellerraum zu treten. Noch fiel etwas Sonnenlicht in den etwa zwei Meter breiten Korridor.
    »Komm!«, sagte er dann, es klang entschlossener, als er sich eigentlich fühlte. Schon nach den ersten Schritten rutsche Sid auf dem Geröll weg und stieß sich das Knie am Felsenuntergrund. Er dachte an die verunglückte Kanadierin. Mühsam rappelte er sich wieder auf.
    »Gib’ mir deine Hand«, sagte Rascal. Gemeinsam tasteten sie sich Stück für Stück in die Tiefe. Nach vier, fünf Höhenmetern wurde der Korridor schmaler, der Boden ein wenig flacher. Sie ließen einander los. Die Sonne war hier unten nur noch eine zarte Ahnung, ohne Taschenlampe ein Weitergehen unmöglich.
    »Du hast wirklich ganz frische Batterien reingetan?«, erkundigte sich Sid zum dritten Mal.
    »Ja, Mensch!«, antwortete Rascal gereizt. »Eine chinesische Marke. Die Packung war zwar schon ein wenig ausgeblichen, aber die anderen waren mehr als doppelt so teuer.« Sie lachte. »Guck mich nicht so an! Das sollte ein Witz sein! Ich habe die besten genommen, die es gab.« Wie zum Beweis leuchtete sie die Decke ab. Alles war vollkommen schmucklos und nur roh behauen. Bis hierher wirkte das Grab seltsam unfertig, wie die Felsenkammer in der Großen Pyramide.
    »Kannst du irgendeinen Hinweis auf Nagys Gegenwart finden?«, erkundigte sich Rascal.
    Sid schloss die Augen und schnupperte. Nichts. Nichts, was er nicht auch schon ohne besondere Konzentration gerochen hatte. »Hier ist nichts«, erwiderte er. »Vielleicht weiter unten.«
    Nach einem türähnlichen Übergang wurde der Schacht wieder breiter, blieb aber ohne jegliche Malerei oder Verzierungen. Nach etwa sieben Metern folgte ein weiterer Raum. Der Boden senkte sich wieder steil ab, die Decke setzte sich aber waagerecht fort, sodass die Kammer bedeutend an Höhe gewann. Sid und Rascal kletterten durch einen engen Gang. Der vierte Raum folgte.
    Sie gestatteten sich, kurz zu verschnaufen. Sid schätzte, dass sie sich fünfzehn Meter unter dem Niveau des Eingangslochs befanden. Wie weit würde es noch nach unten gehen? Eine Spur von Nagy und seinem Buch war nicht zu entdecken. Aber laut der roten Markierung an der Wand waren sie richtig: K V 32.
    »Lass uns weitergehen, bevor Yusuf unruhig wird«, beschloss Rascal. »Das größte Grab hier hat über einhundertzwanzig Kammern, habe ich gelesen. Wer weiß, wie viele noch vor uns liegen!«
    Sid maß den Raum mit Schritten, wie er es sich im Knast als Zeitvertreib angewöhnt hatte. Er kam auf elf, bevor ein neuer Durchgang auftauchte. Während Rascal noch die Wände anleuchtete, trat Sid in die nächste Kammer. Auch in dem schwachen Schein, den die Lampe von nebenan hineinwarf, erkannte Sid, dass sich dieser Raum von den anderen deutlich unterschied. Die Grundfläche war fast quadratisch, ein Stück versetzt von der Mitte stand ein Pfeiler.
    Plötzlich spürte Sid einen eiskalten Windhauch auf seinen nackten Armen. Die feinen Härchen stellten sich auf, sein Herz begann heftig zu pochen.
    » Ju’etj tjen, Tia’a henuti? «, hörte er sich selbst sagen.
    »Hier!«, hauchte eine Stimme zur Antwort. »Bist du es?«
    Nicht im Ohr klang sie wider, direkt in seinem Kopf. Hinter dem Pfeiler tauchte eine Frau auf, sie war gekleidet wie eine Königin. Ihre langen schwarzen Haare fielen ihr bis auf die Brüste, über die Stirn wand sich ein geflochtenes Diadem aus Gold, das in einem Schlangenkopf endete. Unter dem schneeweißen, bodenlangen Kleid schauten bei jedem Schritt ihre bloßen Zehen hervor.
    Sid spürte, wie das Mumienherz schneller schlug, spürte, wie ihn ein seltsames Gefühl durchflutete. Die Lippen der Frau glänzten in verführerischem Rot. »Du bist zurück, mein Gebieter!«, säuselte sie. »Du hast dein Versprechen gehalten! Wer Seth fürchtet, der wird ewig leben!«
    Sid nahm all seine Kraft zusammen. »Naaaaaiiiiin!«, schrie er.

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